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Mehr oder weniger unkontrolliert

■ Prozeß: Muß Texaco für seine in Ecuador hinterlassenen Schäden zahlen?

Jedermann in Ecuador kennt den rot-weißen Stern von Texaco. In den 70ern, als das Öl aus dem Regenwald zu sprudeln begann, war er ein Zeichen neuen Reichtums. Heute steht er für Umweltverschmutzung, Entwürdigung und Zerstörung. Wer den Zustand des ecuadorianischen Dschungels beklagt, bekommt unweigerlich zu hören: alles Schuld von Texaco.

Texaco war die erste Gesellschaft, die reiche Funde im Oriente, Ecuadors Amazonasgebiet, erschloß. Bis zum Vertragsende 1990 war sie die dominante Kraft, die hier in Kooperation mit der staatlichen Ölgesellschaft Petroecuador operierte. Seit der Entdeckung des Öls 1967 verlief die Erschließung „ohne jegliche Umwelt- und Gesundheitskontrollen“, sagt Judith Kimerling, eine Umweltanwältin, deren Studie „Amazon Crude“ Ende der 80er erstmals auf diese Probleme hinwies.

20 Jahre lang nahm niemand zur Kenntnis, daß Millionen Liter Rohöl durch Lecks in den Boden des Regenwaldes sickerten, mit unsicheren Maschinen gearbeitet wurde, eine Indianergruppe vollkommen verschwand, die Bevölkerungszahlen anderer sich drastisch reduzierten. 1993 verklagte schließlich eine Gruppe New Yorker Rechtsanwälte Texaco im Namen von 30.000 Bewohnern des Orientegebiets auf eine Milliarde Dollar Schadensersatz. Sie beschuldigen die Ölgesellschaft, Böden und Flüsse ruiniert, das ökologische Gleichgewicht des Regenwaldes gestört und das Krebsrisiko drastisch erhöht zu haben.

Die Kläger bestehen darauf, Texaco vor ein US-amerikanisches Gericht zu bringen, da die Schädigung des Regenwalds Folge von Entscheidungen ist, die im Texaco- Hauptbüro in den USA getroffen wurden. Texaco will dagegen den Fall in Ecuador entscheiden lassen. „Alle beteiligten Parteien sind hier“, sagt der Sprecher des New Yorker Texaco-Büros, Yorick Fonseca. Außerdem habe man in Absprache mit der ecuadorianischen Regierung bereits ausreichende Entsorgungsmaßnahmen im Oriente durchgeführt. Ein Bericht der Umweltabteilung von Petroecuador hält sie für Augenwischerei. „Texaco hat sich nur mit 139 von insgesamt 632 zurückgelassenen Müllhalden beschäftigt“, sagt der Leiter der Umweltabteilung, Ivan Narvaez. „Ihre Entsorgung bestand darin, den Dreck aus den Gruben zu holen und ihn in sechs neue Gruben zu schütten. Dort lagern jetzt 80.000 Barrels toxischer Stoffe.“ Fonseca meint dazu: „Es gibt Gruben und Gruben... Wir haben nur die entsorgt, die wir nicht länger brauchen.“

Im November 1996 wies der dritte Richter, Jed Rakoff, die Klage plötzlich mit der Begründung zurück, die ecuadorianische Regierung wolle keinen Prozeß. Ecuadors Präsident Abdala Bucaram reagierte mit einer öffentlichen Unterstützungserklärung für die Kläger. Und sein Nachfolger Fabian Alarcon hat, trotz des Drucks von US-Botschafter Leslie Alexander, die Unterstützung der Klage Ende April dieses Jahres bekräftigt. Richter Rakoff hat bisher noch nicht entschieden. Doch Manuel Silva, Vertreter der Klägergruppe, ist optimistisch. „Es ist das erste Mal, daß ein US-Multi vor einem US-amerikanischen Gericht für Handlungen im Ausland zur Rechenschaft gezogen wird.“ Ein Sieg der Kläger bedeutet jedoch nicht automatisch, daß Texaco die verursachten Schäden auch beseitigt. „Man muß sie durch moralischen Druck zur vollständigen Entsorgung zwingen“, sagt Judith. Andere ausländische Gesellschaften, die in Ecuador operieren, hat der Fall bereits zu mehr umwelt- und sozialverträglichen Programmen angehalten.

Mit Ausnahme von Petroecuador. „Unsere Pipelines sind wie verstopfte Adern, aber wir haben kein Geld, sie zu ersetzen“, sagt Pietro Mazzilo, Direktor des Wiederaufforstungsprogramms. „Texaco hat sie so zurückgelassen, Texaco sollte sie auch ersetzen.“

Maria Aguinda, deren Name die Liste der Kläger anführt, ist inzwischen an Krebs gestorben. Emily Walmsley

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