■ Vielbesucht: Thüringens einzige Autobahnkirche: Ruhepunkt in schnellebiger Zeit
Weimar (epd) – Lange Zeit führte die Autobahnkirche in Gelmeroda bei Weimar ein Schattendasein. Nirgendwo an der A4 zwischen Eisenach und Hermsdorfer Kreuz gab es einen Hinweis auf das Kleinod, das der Maler Lyonel Feininger (1871 bis 1956) während seiner Zeit am Weimarer Bauhaus durch elf Ölgemälde sowie zahlreiche Graphiken und Skizzen in aller Welt bekanntgemacht hat.
Nach langwierigen Bemühungen mit Ämtern und Behörden durften schließlich im vergangenen Jahr an beiden Richtungsfahrbahnen der stark befahrenen Ost- West-Verbindung Hinweisschilder aufgestellt werden. „Seitdem kommen deutlich mehr Besucher zu uns“, berichtet Pfarrer Rainer Berlich.
Dabei verweist der evangelische Theologe auf das Gästebuch, dessen Eintragungen für ihn zugleich so etwas wie ein Spiegelbild von veränderten Erwartungen der Besucher sind: „Früher sind die meisten wegen Feininger gekommen. Heute erleben immer mehr Leute die Kirche als einen Ort, an dem sie sich besinnen und innere Ruhe finden können.“ Während es zu Feininger oft gezielte Fragen gebe, werde zu persönlichen Problemen ein Gespräch nur selten gesucht.
Im dicken Gästebuch der Kirche, die täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet ist, stehen Meditationen und Gebete unmittelbar neben ungelenken Handschriften von Kindern, die ihre Eindrücke auf „zeitgemäße“ Formeln wie „cool“ oder „super“ reduziert haben. Manchmal spricht aus den Worten auch nur die Freude über die Wiederbegegnung mit dem Ort nach längerer Abwesenheit. Andere Eintragungen berichten von persönlicher Not und Bedrängnis, etwa von der langen und offenbar schweren Krankheit in der Familie.
Nach Schätzungen von Pfarrer Berlich kamen in die einzige Autobahnkirche Thüringens 1996 etwa 7.000 Besucher. Für dieses Jahr rechnet er mit 10.000 Gästen, nicht zuletzt dank der Reisegruppen, die die 1381 erstmals erwähnte Kirche mit ihrem markanten, windschiefen Schieferturm inzwischen als interessante Station entdeckt haben.
Zunehmendes Interesse an Orten wie in Gelmeroda sei jedoch eine allgemeine Tendenz, die auch beim letzten Treffen der „Autobahnpfarrer“ registriert wurde. „In unserer hektischen und schnellebigen Zeit wird das Bedürfnis nach Ruhepunkten wieder größer.“
Für die „Autobahnkirche Nr. 8“ in Thüringen hat sich die neue Aufgabe besonders bemerkbar gemacht. Denn nach Jahrzehnten des Verfalls begann 1979 unter den schwierigen Bedingungen der DDR-Mangelwirtschaft ein mühsamer Sanierungsprozeß, der erst 1991 abgeschlossen werden konnte. Dabei ist im Inneren ein schlichter Kirchenraum entstanden, in dem eine kleine Ausstellung das Leben und Werk Feiningers beschreibt und Reste von mittelalterlichen Malereien an die Entstehungszeit des Kirchenbaus erinnern. Auch die in den 80er Jahren entdeckte Bilderpredigt im Chorraum wird seit 1996 schrittweise restauriert.
Mit ihrer langen Geschichte ist die Kirche von Gelmeroda zugleich eine der wenigen alten Autobahnkirchen. Von den insgesamt zwölf evangelischen und katholischen Kirchen, die seit 1958 an deutschen Autobahnen zu Rast und Besinnung einladen, sind die allermeisten Neubauten der letzten 40 Jahre.
Als Nummer 13 soll im nächsten Jahr die St.-Christophorus-Kirche im bayerischen Himmelkron dazukommen – unmittelbar neben der Autobahn A9 am Rand des Fichtelgebirges und mit einem 35 Meter hohen Turm, der schon heute weithin sichtbar auf die kühne Architektur des Neubaus aufmerksam macht. Thomas Bickelhaupt (epd)
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