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Der laute Schrei der Lufttrompeten

■ Von Stimmen umschmeichelt, vom Salsa geführt: Die sechsköpfige kubanische A-capella-Gruppe Vocal Sampling ersetzt bei den Heimatklängen ganze Bigbands

Skepsis war geboten: Salsa in A-capella-Format, das klingt ein wenig nach Wein in Tüten. Also erst einmal einen Happen zur Stärkung geholt und sich ein lauschiges Plätzchen gesucht, um das Ganze aus bequemer Entfernung zu hören. Doch der Marmeladenpfannkuchen bleibt einem schon bei den ersten Tönen vor Staunen glatt im Halse stecken. Wie, was – keine Instrumente? Es klingt wie eine ganze Bigband! Zur Bestätigung der suchende Blick auf die Bühne des Tempodrom, aber dort stehen bloß sechs Gestalten, die in ihren cremefarbenen Anzügen aussehen wie zusammengescharte Gäste einer x-beliebigen Ku'damm-Disco. Sie singen. Aber wo haben sie ihre Instrumente versteckt? In den Backen? Die Täuschung ist perfekt. Schließ' die Augen und stell' dir vor, es wäre ein Orchester.

Um der Illusion noch eines draufzusetzen, mimen die Sänger die Instrumente, die sie imitieren: Einer spielt Lufttrompete, und es wirkt täuschend echt, der andere gibt ein verwarztes Baßsolo, und es könnte mit einem richtigen Baß nicht besser klingen.

Zunächst mustern die meisten das Vokal-Sextett fasziniert, aber regungslos. Doch nach einer Weile fangen dann, animiert vom Rhythmus und geführt von Stimmen, die ersten an zu tanzen. Fachkundig verknoten drehende Pärchen ihre Arme im Tanzschulenschritt, während Solotänzer hektisch mit Ellenbogen rudern. Rene Bancos, der musikalische Leiter, fordert auch zum Mitsingen auf, doch da kann das Publikum natürlich nicht mithalten: oohooohooo, grölt es zur Antwort dem Sänger entgegen. „You are very good singers“, lügt er höflich und wendet sich ab.

Die sechs Absolventen des berühmten Havanna Instituto Superior de Arte ahmten, so heißt es, nur zum Spaß in den Schulpausen kubanische Rhythmen mit ihren Stimmen nach. Irgendwie muß sich das bis zum belgischen Produzenten Poney Gross herumgesprochen haben, der die Gruppe umgehend unter Vertrag nahm. Er führte sie auf ausgedehnte Tourneen durch Europa, wo sie im letzten Jahr beim 30. Jazzfest in Montreux als Gast von Quincy Jones auftraten. Mit den üblichen Verdächtigen wie Peter Gabriel und David Byrne haben sie schon zusammengearbeitet, und mit Bobby McFerrin gaben sie Konzerte.

Als würde man McFerrin im Sechserpack hören, plappert, ploppt und poppt es von der Bühne, und nach einer Pause fließt auch ein bißchen Rap ins polyphone Stimmgeflecht ein. Später ahmt Reinaldo Sanler pfeifenderweise eine Flöte nach, und als Höhepunkt gibt Carlos Diaz gegen Ende ein simuliertes Percussionssolo. Mit den Händen schlägt er unsichtbare Congas. Dann zaubert er zwei Schlagstöcke aus dem Ärmel, mit denen er den Beat zu „We will rock you“ anklingen läßt, zuletzt geht die Performance in einen atemberaubenden Trommelwirbel über. Das sitzt. Noch auf dem Nachhauseweg liegt einem die sentimentale „Fabula de los tres hermanos“ in den Ohren, und die heimische Badewanne fühlt sich auf einmal ein kleines bißchen nach Karibik an. Daniel Bax

Heute und morgen ab 21.30 Uhr, Sonntag 16 Uhr im Tempodrom. In den Zelten, Tiergarten.

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