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■ Nebensachen aus PekingMetropolensprung globalisierter Kinder

Gott sei dank gibt es Stofftiere. Den Umzug von Tokio nach Peking überstehen sie mühelos. Wir waren noch ganz erschöpft von Reise, Wohnungssuche und Neueinrichtung, als die ersten Umzugskisten aufgingen. Heraus krabbelten Eisbär, Ferkel und Tsu, die Maus. Die drei waren uns willkommen. Sie spielten mit unseren Kindern, als wäre nichts geschehen. Da hatten wir das Gefühl, endlich in China angekommen zu sein.

Nicht jeder Metropolensprung ist im Zeitalter der Globalisierung ein Katzensprung. Das gilt allemal für Kinder, von denen kosmopolitische Eltern zwar behaupten, sie machten jede Ortsveränderung problemlos mit. Im Gegenteil: Peking bringt für Kinder Entbehrungen und Belastungen mit sich. Keinen Schritt können sie hier allein machen, überall werden sie vom Verkehrschaos bedroht. Jede Fortbewegung mit der Familie ist eine Anstrengung. Kindern wird nirgends Abwechselung geboten. Die wenigen Parks haben keine Spielplätze. Der Zoo liegt abgelegen am Stadtrand; Spielzeughändler bieten nur Plastikramsch.

Einkaufen ist noch das einfachste mit Kindern in Peking. Vieles läßt sich auf dem Markt in den Straßen um unser Haus erledigen. Hier haben Kinder freien Auslauf. Unser Sohn freute sich auf die Tomaten, die wir nicht mehr wie in Tokio nur einzeln pro Stück für fünf Mark kaufen können. Gleich zwei Kilo stopfte der Pekinger Marktverkäufer für eine Mark in unsere Tüte.

Demgegenüber stehen neue Sorgen. Unser fünfjähriger Sohn ist zweisprachig aufgewachsen: Deutsch/Japanisch. Soll er nun noch eine dritte Sprache lernen, und welche? Unsere Wohnung liegt neben einer chinesischen Eliteschule. Stramm stehen die Schüler morgens beim Appell auf dem Schulhof, um wenige Minuten später vergnügt über den Platz zu turnen. Viele Auslandschinesen und einige „Westler“ geben ihre Kinder dorthin.

Den besten Ruf bei Ausländern genießt die International School of Beijing (ISB), wo alle Klassenzimmer mit Computern ausgerüstet sind und die Kinder auf dem Schuldach mit Kunstrasen Fußball spielen. Doch an der ISB wird Englisch gesprochen, und unser Sohn müßte neben Chinesisch, das er im Alltag aufnehmen wird, Englisch als vierte Sprache lernen. Was also tun?

Nicht einfacher fällt die Entscheidung für unser sechs Monate altes Baby. Unter Pekings Ausländern ist es Usus, einen Säugling in die Arme einer hier immer noch bezahlbaren Kinderfrau zu geben. Daß damit auch ein kolonialistischer Umgangston in viele Familien zurückkehrt, wollen die Betroffenen nicht wahrhaben. Aber man muß nur ältere Kinder mit dem Dienstpersonal reden hören, um sich der Zweiklassengesellschaft in den Ausländerghettos gewahr zu werden.

Zweifel bleiben auch nach der Wohnungswahl. Mit Überzeugung haben wir uns dem Ghettodasein vieler Ausländer entzogen und sind in einen chinesischen Wohnkomplex gezogen. Doch das war vielleicht voreilig: Das dorfähnliche Leben in den von der Armee bewachten Ausländerwohnstätten bietet Kindern mitten in der Stadt einen geschützten Lebensraum samt Spielplätzen von McDonald's.

So fällt uns die Einrichtung eines Familienalltags hier schwerer als die Begeisterung für Land und Leute. Kinder fordern eben Kontinuität, und die können auch im Zeitalter der Globalisierung die Stofftiere allein nicht herstellen. Georg Blume

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