Wo die Kinderwelt in Ordnung ist

■ Nicht lieb, aber gegen Revolutionsromantik: „Die Falken“, Bremens „Sozialistische Jugend“, verbinden Engagement und Fun

In der Findorffstraße 110 stirbt grau und verzweifelt über dem Sofa der ewige Soldat: – „Why?“. Ein paar Sätze von Rosa, Flugblätter, Fotos. Das Bremer Büro der „Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken“. Das Schaufenster schlägt „Castor“-Alarm. Das sei ein Revival, sagt Aljoscha. „Guck dich um in den Bremer Schulen. Die Castor-Transporte haben die Bewegung wieder voll aufleben lassen“. Sechs Kinder- und Jugendgruppen treffen sich hier pro Woche. Migrantenkids sind selten dabei. Aber unter den Jüngeren kämen noch viele „aus dem Unterschichtenmilieu“.

Die vier im Ladenbüro sind ein Kernstück der Bremer Falken: Katrin, 21, Biologiestudentin, seit dem sechsten Lebensjahr bei der sozialistischen Jugend, mit ein bis zwei Jugendreisen im Jahr. Nils, 22, Student, seit Anfang des Jahres im Marx-Lesekreis. Aljoscha, 18, Gymnasiast, der umweltpolitische Sprecher. Matthias traf er in Gorleben beim Schienenspaziergang. Oder war es in der Quickborner Teeküche bei den Sanis? Matthias, 19, Abiturient. Daß er früher mal bei den Pfadfindern war, ist ein Geständnis. Später, in der evangelischen Kirche, mußte man „lieb und nett sein“. So kommt man dann eben zu den „Falken“.

„Ein Ziel unserer Arbeit ist es immer, Kinder und Jugendliche zu motivieren, sich einige Gedanken über alles zu machen, was um sie herum geschieht. Und sich natürlich entsprechend zu engagieren! Und auf eine Weise, die Fun bringt“. So werben die Falken im Internet (http//www.jugendinfo.de/falken/index.htm.).

Meist steht aber der persönliche Kontakt im Mittelpunkt. „Sehr heimelig war es in Ungarn“, sagt Katrin. Mit 2.500 Jugendlichen aus vierzig Ländern im Zeltdorf. Aber auch Aljoscha und Frank und Matthias am „Falken“-Tisch nicken nur froh: Klar Mann, so war das.

Seit einer Woche sind sie zurück. Das International Falcon Movement hatte geladen und alle waren gekommen: die roten Adler aus Schweden, die peruanischen Los Cachorros. („Auch so'n Flattervieh“, sagt Aljoscha), aus Sri Lanka die Yauvana Lanka, das englische Woodcraft Folk, Marokkos Toofola Chaabia, die Polisario, An-nousoor Ashebah aus Palästina oder Framfylkingen, Norway. Die 39 Bremer Kids fielen auf. Bunte Haare, anti-rassistisches T-Shirt: schon lief man zwischen Finnen und Ungarn auf dem einstigen Pioniergelände als Paradiesvogel rum.

„Sinnvolle Erlebnisse“und „handfeste Erfahrungen“gab es im Falken-Zeltlager. Den Jugendlichen aus Kattenturm, in den letzten Tagen wegen der Randale gegen die Polizei in den Schlagzeilen, hätte das auch gefallen. Kathrin ist sich da ziemlich sicher: Alle fahren in die Sommerferien, nur die kurdischen Kids bleiben in Bremen. Die Falken hatten versucht, ein paar von ihnen für die Gruppenfahrt loszueisen. „Zum Weitererzählen, daß man auch auf andere Art Fun haben kann“. Denn die Falken verbitten sich sozialrevolutionäre Romantik: Lebenslust sei das nicht, was sich in Kattenturm abspielt. ritz

Am 30. August feiern die Bremer Falken 90. Geburtstag in der Unteren Rathaushalle. Tel. 35 51 17