Gemeinsam auf getrennten Wegen

Ein Teil der serbischen Opposition will die bevorstehenden Wahlen boykottieren. Vuk Drasković, Chef der serbischen Erneuerungsbewegung, will mitmachen. Er glaubt an den Sieg  ■ Aus Belgrad Andrej Ivanji

Am 21. September wählt Serbien einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament. Die bedeutendsten bürgerlichen Parteien, die im November noch als Koalition Zajedno angetreten waren, sind mittlerweile hoffnungslos zerstritten. Viele Anhänger Zajednos, die die Opposition noch im Winter mit monatelangen Protesten unterstützt hatten, sind enttäuscht und frustriert. Die Demokratische Partei (DS), der Serbische Bürgerbund (GSS) und dreizehn kleinere Parteien wollen die Wahlen boykottieren, weil nicht einmal die „minimalsten Bedingungen für faire Wahlen“ garantiert seien.

„Am 15. August starten wir eine breite Kampagne gegen die Wahlen“, erklärte der Präsident der DS und Bürgermeister von Belgrad, Zoran Djindjić. Ein „fröhlicher Karneval“ werde durch Serbien ziehen und die Bevölkerung zum Wahlboykott aufrufen. „Das herrschende Wahlgesetz nimmt den Wahlen jeden Sinn“, meint Djindjić. „Die herrschenden Milošević-Sozialisten haben die Zahl der Wahlbezirke in Serbien von 9 auf 29 erhöht und sie entsprechend dem Verhältniswahlrecht nach ihren Bedürfnissen zugeschnitten.

Außerdem sind die staatlichen Medien für die Opposition blockiert, und nicht einmal die Anwesenheit von Vertretern der OSZE bei den Wahlen ist sicher.“ Djindjić hofft auf die Energie und den Unmut der Bevölkerung gegen das serbische Regime, die bei den Massendemonstrationen im Winter deutlich geworden ist. Anders sieht das Vuk Drasković, Führer der bekanntesten Oppositionspartei, der Serbischen Erneuerungsbewegung (SPO). Die Wahlbedingungen seien für die Opposition trotz allem besser denn je. Slobodan Milošević, nunmehr jugoslawischer Bundespräsident, habe ihm versprochen, daß die Medien „deblockiert“ würden. Milošević' „Wort“ reichte Drasković offenbar. Am Sonntag verkündete er den „sofortigen Beginn der Wahlkampagne der SPO“.

Böse Zungen behaupten, Drasković handle wieder einmal getrieben von seinem Ehrgeiz und lasse deshalb die gesamte bürgerliche Opposition im Stich. Obwohl er sich dessen bewußt sei, daß seine SPO an den Wahlen unter solchen Bedingungen nicht teilnehmen sollte, glaubt er, gegen den blassen Kandidaten der Sozialisten, den ehemaligen jugoslawischen Bundespräsidenten Zoran Lilić, und den extremen Nationalisten Vojislav Seselij die Präsidentschaftswahlen gewinnen zu können. Drasković'Entschluß, an den Wahlen teilzunehmen, bewirkt überdies noch etwas: Die Beteiligung der SPO gibt den Wahlen endgültig die notwendige Legitimität. Auf dem rechten Flügel des Parteienspektrums wird die extrem nationalistische Radikale Partei Serbiens (SRS) mit ihrem Führer Vojislav Seselij immer stärker. Seselij ist Bürgermeister der belgrader Vorstadt Zemun. Unlängst ließ er einen Rechtsanwalt, der eine mißhandelte kroatische Familie gegen die Gemeinde verteidigte, nach einem gemeinsamen Fernsehauftritt von seinem Leibwächter krankenhausreif schlagen. Als ihn Journaliten fragten, ob das seinem Wahlkampf nicht schaden würde, antwortete er: „Im Gegenteil. Jeder ehrbare Mensch in Serbien freut sich, daß wir dem Ustascha die Fresse poliert haben.“

Die serbischen Sozialisten werden gemeinam mit JUL (der Vereinigten jugoslawischen Linken) und der quasibürgerlichen Kleinpartei Neue Demokratie als Liste Slobodan Milošević antreten, ihr Kandidat für das Amt des Präsidenten Serbiens ist der Milošević- Anhänger Zoran Lilić. Nach jüngsten Umfragen könnte er sogar in der ersten Runde die absolute Mehrheit erringen.