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Demo gegen Christenhatz in Pakistan

Religiöse Minderheiten in dem offiziell islamischen Staat wehren sich gegen Diskriminierung. Bei Prozessen wegen angeblicher Blasphemie droht Nicht-Muslimen die Todesstrafe  ■ Von Jorge Scholz

Mmehr als 10.000 Menschen haben gestern in der punjabischen Millionenstadt Faisalabad gegen die anhaltende Diskriminierung religiöse Minderheiten in der Islamischen Republik Pakistan protestiert. Wenige Tage vor dem 50. Staatsgeburtstag am Freitag wollten die Demonstranten damit die Regierung in Islamabad an die bei der Staatsgründung versprochene und in der Verfassung verankerte Glaubens- und Religionsfreiheit für Nicht-Muslime erinnern. Zu der Demonstration hatten christliche Organisationen, Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen aufgerufen.

Laut amnesty international laufen derzeit gegen mehr als 2.000 Angehörige religiöser Minderheiten Strafverfahren wegen angeblicher Glaubensdelikte, die in der Regel mit hohen Geld- und Freiheitsstrafen geahndet werden. Sieben Angeklagte, darunter vier Christen, müssen gar mit einer Verurteilung wegen Gotteslästerung rechnen. Ihnen droht die Todesstrafe. Im Rahmen von Blasphemie-Prozessen wurden bereits sechs Todesurteile verhängt. Daß alle Delinquenten bislang begnadigt wurden, werten Menschenrechtler als Zeichen für die in solchen Fällen meist höchst zweifelhafte Beweislage. Außerdem sind Christen, Hindus und Ahmadis (eine per Gesetz als ketzerisch abgestempelte islamische Sekte), die zusammen rund vier Prozent der 137 Millionen Einwohner ausmachen, immer wieder Übergriffen militanter Islamisten ausgesetzt. Im Februar wurde bei einem solchen Vorfall in der Provinz Punjab von einem randalierenden Mob ein ganzes Christendorf dem Erdboden gleichgemacht. Ein Dutzend Kirchen und mehrere Schulen gingen in Flammen auf, 50 Bewohner wurden verletzt. Polizei und Behörden – so der Vorwurf der Kirchenoberen – flohen und überließen die Dörfler ihrem Schicksal.

Vor allem Frauen leider unter einer in den ländlichen Gebieten weitverbreiteten Form der Gewalt gegen religiöse Minderheiten: Immer wieder berichtet die pakistanische Presse über Entführungen, insbesondere von Christinnen, die anschließend mit muslimischen Männern zwangsweise verheiratet werden. Der prominente katholische Bischof von Faisalabad, John Joseph, berichtete der taz, daß es allein in diesem Jahr bereits mehr als 300 solcher Fälle gegeben habe. Sämtliche Täter blieben trotz entsprechender Anzeigen der Angehörigen der Opfer unbehelligt.

Minderheitenvertreter und Menschenrechtler machen für diese Zustände vor allem das sogenannte Blasphemie-Gesetz 295-C verantwortlich. Es sieht die Todesstrafe für die Beleidigung des Propheten Muhammed, des Korans und des Islams vor. Militärdiktator Zia-ul Haq (1924 bis 1988) ließ diesen Paragraphen 1986 per Dekret in das Strafrecht einrücken. Im Zuge seiner Islamisierungspolitik wollte er mit dem Eingehen auf entsprechende Forderungen radikaler Islamisten sein Regime auf Kosten religiöser Minderheiten legitimieren. Nach dem Tod des Diktators ließ der demokratisch gewählte Premier Nawaz Sharif diese Bestimmung 1991 noch einmal verschärfen, um die Unterstützung islamistischer Parlamentarier zu bekommen. Auch die zwischenzeitliche Nachfolgerin Benazir Bhutto beließ es bei unerfüllten Absichtserklärungen.

Wenn jetzt Christen erneut die Abschaffung des Paragraphen 295-C fordern, den islamistische Politiker zunehmend in Schauprozessen gegen Nicht-Muslime in angeblichen Blasphemie-Fällen als politischen Hebel auch gegen die Regierung in Islamabad fordern, richtet sich dies erneut an die Adresse von Nawaz Sharif. Er wurde im Februar 1997 als Premierminister wiedergewählt. Wenn er dieser Tage angekündigt hat, das Grab des Diktators Zia-ul Haq an seinem Todestag am 17. August – wenige Tage nach den Jubiläumsfeierlichkeiten – im Rahmen einer Feierstunde zu besuchen, läßt dies für die Forderung der Christen nichts Gutes ahnen.

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