: Der Steuersack wird immer schlaffer
■ Bundesbank kommt zu dem Schluß, daß die Prognosen vom Mai weitaus zu optimistisch waren. Öffentliche Verschuldung nimmt weiter zu. Währungshüter mahnen dringend Steuerreform an
Frankfurt/Main (AFP/taz) – Bund, Länder und Gemeinden werden 1997 noch weniger Steuern einnehmen als zuletzt geschätzt. Auch dadurch wachsen die Löcher in den öffentlichen Kassen deutlich schneller als noch vor Jahresfrist.
Das Steuer-Ergebnis des Jahres wird „aus heutiger Sicht wahrscheinlich noch hinter der Mai- Prognose zurückbleiben“, heißt es im jüngsten Monatsbericht der Bundesbank. Die Steuerpolitik der vergangenen sieben Jahre habe sich als „Sackgasse“ erwiesen: „Die allmähliche und zuletzt zunehmende Erosion der Steuerbasis belegt das Dilemma einer Steuerpolitik, die die Last hoher Steuersätze mit einer weder überschaubaren noch in ihrem Einfluß auf das Steueraufkommen einschätzbaren Vielzahl von Vergünstigungen zu mildern versucht.“ Helfen könne nur noch eine „umfassende, große Steuerreform“, heißt es in dem Bundesbankbericht.
Schon im Mai schätzte der Arbeitskreis Steuerschätzung, daß die öffentlichen Haushalte 1997 mit 18 Milliarden Mark weniger auskommen müßten als noch im November erwartet. Auch für die drei kommenden Jahre wurden Steuermindereinnahmen von weiteren 100 Milliarden Mark befürchtet. Doch vermutlich sieht es noch fataler aus, meinen die Bundesbanker. Schließlich seien die Steuererträge in der ersten Hälfte des Jahres ohne Gemeindesteuern um rund 2,5 Prozent im Verhältnis zum ersten Halbjahr 1996 zurückgegangen. Die gegenwärtige Konjunkturbelebung werde in der zweiten Jahreshälfte zwar einige Ausfälle wettmachen, so die Hoffnung. Doch die Mai-Schätzung werde voraussichtlich trotzdem verfehlt, glauben die Währungshüter aus Frankfurt.
Das Loch in der Bundeskasse ist im vergangenen Monat wieder deutlich größer geworden, bilanzieren die Währungshüter. Das seit Jahresbeginn aufgelaufene Kassendefizit belief sich Ende Juli auf 59,80 Milliarden Mark nach knapp 44,60 Milliarden Mark im gleichen Zeitraum 1996. Der Zuwachs betrug demnach rund ein Drittel; dabei stiegen die Kasseneinnahmen mit 4,8 Prozent wesentlich schwächer als die Kassenausgaben mit 8,6 Prozent. Eine etwas günstigere Situation ist nach Einschätzung der Bundesbank mittelfristig in Sicht: Die Erlöse aus den für dieses Jahr geplanten Privatisierungen des Bundes würden „zum überwiegenden Teil erst im weiteren Jahresverlauf kassenwirksam“.
Die Bundesbank wies erneut darauf hin, daß ihre Kassenrechnung „erheblich“ von der Haushaltsrechnung des Bundes abweichen könne. Die Kassenstatistik wird nach anderen Gesichtspunkten berechnet als die üblicherweise in der Politik herangezogene amtliche Finanzstatistik. So sind bei der Bundesbankstatistik beispielsweise auch Transaktionen für die Europäische Union enthalten. Zudem erfaßt die Bundesbank Einnahmen und Ausgaben dann, wenn sie tatsächlich zu- oder abfließen, und nicht zu dem Zeitpunkt, an dem sie im Haushalt verbucht werden.
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