: Unbeschwert ins Jahr 2000
Weltweit werden Behördenchaos und Produktionsausfälle prophezeit. Doch Berlin ist sich sicher, die Computerumstellung im Griff zu haben ■ Von Barbara Junge
Schreckensszenarien bedrohen verängstigte ComputerbenutzerInnen: Kinder werden zu RentnerInnen, Kreditkarten verlieren aus heiterem Himmel ihre Gültigkeit, Ampelschaltungen fallen aus, alle Lebensmittel haben plötzlich ihr Verfallsdatum überschritten, Gehälter bleiben aus, und die Produktion im ganzen Land steht still.
Wenn das Jahr 1999 ins erste Jahr des neuen Jahrtausends übergeht, springen die Datenangaben der derzeit gebräuchlichen Computersysteme auf das Jahr 00; für die Systeme ist nun das Jahr 1900, und jeder Rechner bekommt ein wildes Eigenleben.
Nicht so die Computer der Berliner Verwaltung, prophezeit dagegen die hauptstädtische Bürokratie-Elite. Während die Umstellung der Computer auf eine vierstellige Datumsangabe weltweit Millionen an Arbeitsstunden und Milliarden an Mark kosten soll, ist sich Berlin sicher, daß es keinerlei Probleme geben wird. Dabei gibt es allein in der Hauptverwaltung etwa 3.000 Rechenverfahren. Ein einzelnes Verfahren wiederum kann bis zu 1.000 Rechnerprogramme erfordern. Und jedes Programm muß erneuert oder umgestellt werden.
Dem Abgeordnetenhaus geht noch Ende dieses Monats ein Bericht über die Vorbereitungen in den einzelnen Senatsverwaltungen zu. Die Innenverwaltung hatte im Auftrag des Abgeordnetenhauses alle Ressorts über die Auswirkungen der Jahrtausendwende auf ihre Computersysteme befragt. Sie wollte wissen, welche Verfahren betroffen sein werden, welcher „personelle und finanzielle Aufwand“ zu erwarten sei und „welche Konsequenzen“ sich ergäben, „wenn die notwendigen Umstellungsarbeiten nicht fristgerecht abgeschlossen werden können“.
„Kein Problem“, lautet jetzt das Fazit. Der Bericht der Innenverwaltung gibt auf Grundlage der Antworten aus den Verwaltungen Entwarnung. „Alle Verfahrensbetreiber sagen, sie hätten die notwendigen Vorbereitungen getroffen“, berichtet Hannes Godehusen, zuständig für ressortübergreifende Informationstechnik (IT) in der Innenverwaltung. Im Gegensatz zu den weltweiten Vorbereitungen seien auch keine gesonderten Aktionen notwendig, befinden die IT-SpezialistInnen der Ressorts. Deshalb brauchten sie, so faßt Godehusen die Antworten zusammen, weder externe Hilfe noch finanzielle Zusatzmittel.
ExpertInnen aus der Innenverwaltung bleiben aber kritisch: „Natürlich gibt es am Ende Probleme, die die jetzt noch nicht sehen“, so ein IT-Fachmann. Bleibt die Hoffnung, daß auch die positiven Auswirkungen der Jahrtausendwende in Berlin auftreten: Auf einen Schlag könnten alle Sparkonten für 100 Jahre verzinst werden.
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