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Golf für Nazi-Katzen Von Ralf Sotscheck

Noelle trinkt ihren Tee mit Milch. Eek auch. Das ist nicht weiter ungewöhnlich, denn in England kippen die meisten Menschen Milch in ihren Tee. Aber Eek ist ein Kater, und er trinkt aus sämtlichen Tassen, die auf dem Tisch stehen. Wenn er es gar zu bunt treibt, erinnert Noelle ihn durchaus verständnisvoll an seine eigene Porzellanschale auf dem Fußboden, was das Mistvieh – ich schwöre es – mit einem hämischen Krächzen quittiert. Seinen Namen verdankt er übrigens eben der Tatsache, daß er für einen Kater völlig widernatürlich quietscht: „Eeek.“

Katzen dürfen in England praktisch alles. 25 Prozent aller Haushalte besitzen mindestens einen stinkenden Flohbeutel, insgesamt sind das mehr als sechs Millionen. Zur Jahrtausendwende, schätzen Schädlingsforscher, werden es bereits acht Millionen sein. Wenn sie wenigstens unter den Bettdecken einsamer Herren versteckt oder auf den Knien älterer Damen festgeschweißt wären! Aber nein: Engländer gehen offensiv mit ihrem Laster um. Manche schreiben ihren Katzenwahn sogar nieder.

In größeren Buchläden findet man mühelos über 200 Bücher zum Thema Katzen, darunter solch furchtbarer Unfug wie „Cats In the News“. Darin schreibt der Journalist Martyn Lewis über seine „seidige Siamesin“ Yang: „Sie führt lange und detaillierte Gespräche mit meiner Mutter, gibt ihr gute Ratschläge und erzählt ihr Geschichten über ihre nächtlichen Abenteuer.“ Kann man diesen Menschen noch ernst nehmen, wenn er über Ausbildungsplätze für Jugendliche schreibt? Und Francis Wheen, ebenfalls ein Journalist, bejammerte vor ein paar Jahren öffentlich die Tatsache, daß am Sternenhimmel zwar alle möglichen tierischen Konstellationen versammelt seien, doch eine Katze sei nicht darunter. Bloß ein Löwe.

Andere Schreiber sind inzwischen auf den lukrativen Katzen- Zug aufgesprungen. Es gibt Bücher über Katzennamen und ihre Herkunft, Lehrbücher, um Katzen Lesen oder Französisch beizubringen („mit Buchstütze und Futternapf“) und Katzen-Kochbücher. Nicht um die Mäusefresser möglichst schmackhaft zuzubereiten, sondern um ihnen „85 von Tierärzten empfohlene Mahlzeiten“ appetitlich darreichen zu können.

Der Schriftsteller Alan Coren ist systematisch an die Sache herangegangen. Er wollte einen Bestseller schreiben, sah sich im Buchladen um und stellte fest, daß neben Büchern über Katzen auch solche über Sport und den Zweiten Weltkrieg sehr gefragt waren. Also verfaßte er sein Werk „Golf für Katzen“ und dekorierte den Umschlag mit einem Hakenkreuz. Das Buch ging weg wie warme Semmeln, bei dieser Kombination brannten den Engländern alle Sicherungen durch. Guardian-Journalistin Judy Rumbold fragte einmal völlig zu Recht: „Sind Katzen nicht diese Viecher, die aus dem Maul nach Fisch stinken und sich ungeniert vor der Verwandtschaft die Genitalien lecken?“

Aus meiner Tasse hat Eek übrigens nicht getrunken. Als sich das Ungeziefertaxi meinem Tee auf 30 Zentimeter genähert hatte und sich schon gierig die Lippen leckte, öffnete ich kurzerhand das Fenster und schubste den Kater vom Sims. Zwar liegt Noelles Küche im ersten Stock, doch das teesüchtige Ungeheuer landete auf den Füßen. Ein Getränk hat mir Noelle seitdem nicht mehr angeboten.

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