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Spaß, Gift und Galle

■ Ben Eltons Roman „Popcorn“ ist eine Satire auf den größten Stolz Amerikas

Der Regisseur Bruce Delamitri bekommt den Oscar. Sein preisgekröntes Werk heißt „Ordinary Americans“, ein Film, den wir uns getrost als Mischung aus „Natural Born Killers“ und „Pulp Fiction“ vorstellen sollen. Delamitri ist der Typ des pickeligen Filmhochschulabsolventen, der zwar nie Mädels abgekriegt, aber durch Zufall und die merkwürdigen Launen des Zeitgeistes einen Megahit gelandet hat. Seine Pose ist die des zornigen, coolen, zynischen Rebellen, der vernünftig genug ist, bei der Preisverleihung das versammelte Hollywood aufs widerwärtigste vollzuschleimen. Das Busineß hat's kapiert: Der ist einer von uns. Sein Filmchen ist zwar nichts als ein kleiner, ekelhafter Sex-und-Gewalt-Streifen, aber die Interpretationsrhetorik hat für derlei Fälle flugs die richtigen Instrumente parat: die Dekonstruktion der Einstellungen, die Ironie des vaginalen Blickwinkels und so weiter.

Die konservative Publizistik schäumt, besonders seit zwei Copycat-Killer wie ihre Vorbilder im Film eine Blutspur durch die USA ziehen. Und just in der Nacht nach der Oscar-Verleihung auf das Junggenie in dessen Villa mit einem gar nicht so absonderlichen, sondern in ihrer Logik naheliegenden Plan warten.

Der Brite Ben Elton, der seine Finger in ziemlich vielen multimedialen Satireprojekten auf der Insel hat, nimmt eine gute, alte Tradition auf: Er mokiert sich, ähnlich wie Evelyn Waugh mit „Tod in Hollywood“, über die Vettern überm Teich, von deren Medienmacht sich die Brits mehr und mehr herausgefordert fühlen. Uns soll der Hader recht sein, denn Eltons Buch ist hemmungslos komisch. Sein Spotten und Speien ist keine bleischwere, bedenkentragende „Kritik an Hollywood“, wie sie unsere Filmdenker so gern haben. Sie führt mit Bosheit, Gift und Galle konsequent die Spirale ad absurdum, die entsteht, wenn a) Filme über b) die reale Gewalt und c) über deren mediale Verarbeitung im d) Medium des Films zum Hit werden. Elton fügt e) dazu, was passiert, wenn das alles, f) im Fernsehen mitgefilmt und g) vom Fernsehen inszeniert, sich gegen die Urheber von a) richtet, was h) zu ganz neuen Möglichkeiten für alle führt.

Im Original ist es putzig zu beobachten, wie Elton (GB) seine Figuren (USA) amerikanisch reden zu lassen versucht, in der Übersetzung geht diese Dimension natürlich verloren. Trotzdem bleibt genug übrig, um sich darüber köstlich zu amüsieren, wie die Brits sich die Amis vorstellen und wie fruchtbar für Scherz und Frohsinn das Spannungsverhältnis zwischen zwei Völkern mit einer angeblich gemeinsamen Sprache ist.

Nein, Elton hat nicht Hollywood die Maske vom Gesicht gerissen, er hat es nur wollüstig grölend ausgelacht. Thomas Wörtche

Ben Elton: „Popcorn“. Deutsch von Jörn Ingwersen. Manhattan bei Goldmann, München 1997, 255 Seiten, 20 DM

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