Dem Speckgürtel auf der Spur

■ Aus dem Zahlenwust der Kreise und Städte rund um Bremen haben Statistiker jetzt das Phänomen Umland herausgefiltert

Bremen war bisher eine Insel im niedersächsischen Zahlenmeer. Wenn das Landesamt für Statistik in Hannover Materialien herausgab, war Bremen ein weißer Fleck. Ebenso war die Stadt in den Bremer Publikationen von einem weißen Ozean umgeben. Bei den vielfältigen Verflechtungen des Stadtstaates mit seinem Umland war das natürlich problematisch. Darum haben die beiden Statistik-Ämter ihre Daten jetzt im Rahmen der gemeinsamen Landesplanung zusammengeführt.

Erstmals liegen in einer Broschüre auch Zahlen über das Bremer Umland vor. „Eine rationalere Entscheidungsgrundlage für gemeinsame Planungen“, sagt Ralf Baumheier, im Bremer Bauressort für die Beziehungen zum Umland zuständig.

Bisher sprachen zwar viele über das Phänomen, aber statistisch war das „Umland“nicht genau gefaßt. Denn datenmäßig ist die Lage um Bremen konfus: An Bremen grenzen die Stadt Delmenhorst und immerhin fünf Landkreise. Zum Vergleich: Die Stadt Hannover wird vollständig vom Landkreis Hannover umgeben, was gemeinsame Planung und Analyse vereinfacht.

Zu allem Überfluß ragen die Bremer Umland-Kreise, wie etwa der nach Osnabrück orientierte Süden des Landkreises Diepholz, auch aus dem Bremer Einzugsgebiet heraus. Andererseits zählen der Süden des Kreises Cuxhaven oder Teile des Kreises Oldenburg wiederum dazu. Deshalb mußten die Statistiker erst aus den Daten der Landkreise die Zahlen der 30 auf Bremen orientierten Gemeinden herausfiltern, um das Bremer Umland zu bestimmen.

Dazu gehören jene Räume, wo mindestens 15 Prozent der Erwerbstätigen in die Kernstadt pendeln. In Schwanewede, Ritterhude, Oyten und Stuhr sind das weit über 50 Prozent. Aus Syke oder Delmenhorst fährt immerhin jeder Dritte Beschäftigte zur Arbeit nach Bremen, aus Hude jeder sechste, Dabei pendeln Männer häufiger als Frauen, die wiederum im Umland anteilsmäßig öfter arbeitslos sind als in Bremen.

Die Statistiker förderten weitere Erkenntnisse zutage: Aus der vergleichbaren Stadt Hannover sind im Jahr 1995 mehr Menschen ins Umland gezogen als aus Bremen. Und das Bremer Umland hat seit 1990 per Saldo aus dem „Rest der Welt“mehr als 17.000 Menschen angezogen.

Auffällig ist aber auch, daß die Stadt Bremen in der Altersgruppe der 18- bis 25jährigen, in der Menschen normalerweise zum Studieren oder zur Ausbildung in Großstädte ziehen, keine besondere Anziehungskraft aufweist. Nur 1009 Menschen diesen Alters gewann Bremen zwischen 1980 und 1995 aus dem Umland hinzu, in Hannover waren es 8.400. Noch schlechter fällt die Bilanz mit dem übrigen Bundesgebiet aus: Nur 966 mehr junge Leute zogen nach Bremen, als gleichzeitig der Stadt den Rücken kehrten. Hannover gewann im selben Zeitraum 26.700 Einwohner dieser Altersgruppe.

„Unsere Arbeit macht nur dann Sinn, wenn die Daten ständig gepflegt und aktualisiert werden“, sagt Michael Neutze, der das Projekt im Statistischen Landesamt Bremen betreut. Aus Planersicht ließe sich die unübersichtliche Region Bremen am einfachsten durch einen mit Kompetenzen ausgestatteten Raumplanungsverbund ordnen, wie er beispielsweise um die Stadt Mannheim besteht. Aber dagegen haben die Kreise und Städte Vorbehalte. So hat die „Gemeinsame Landesplanung“zwar eine Geschäftsstelle in Syke, aber keine planerische Kompetenz, um festzulegen, wo Gewerbe oder Baumärkte sinnvoll anzusiedeln wären. jof