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Prinzessinnen gegen Hausordnung

■ Eine strenge Beweisführung für weibliche Reinheit und sauberen Sex: Fire von der Inderin Deepa Mehta

„Did we something wrong – Haben wir etwas Unrechtes getan?“fragt Sita, nachdem sie zum ersten Mal mit Rhada im Bett gewesen ist. Rhada schüttelt weise ihr schönes Haupt. Sie ist die ältere, und sie übernimmt die moralische Verantwortung.

Mit leuchtendem Zeigegestus und vielsagend emotional erzählt Fire, der dritte Spielfilm der indischen Regisseurin Deepa Mehta, die Beziehungsgeschichte der Schwägerinnen Sita (Nandita Das) und Rhada (Shabana Azmi). Davon, wie die junge Sita nach ihrer lieblosen Verheiratung mit Jatin (Jaaved Jaaferi) in die Familie ihres Ehemannes kommt. Wie sie dort die fügsam in den Pflichtenkreislauf eingebundene Rhada kennenlernt und wie diese mit ihrer Lebendigkeit allmählich Sitas Liebe weckt. Rhadas 16jährige, kinderlose Ehe mit Ashok wird geschildert, die Pflege der alten Schwiegermutter Biji und jeder noch so mühsame Kochmarathon für das hauseigene Schnellrestaurant. Schon bald gerät die angebröselte Hausordnung den beiden Frauen mehr und mehr zur Nebensächlichkeit, zur matten Folie, vor der sich ihr stilles Liebesglück nur um so eindringlicher abzuzeichnen beginnt.

Für Deepa Mehta war es wichtig, daß sich diese Liebe mit all ihrem Gefahrenpotential langsam und gemessenen Schrittes bewegen sollte. „Rhada muß ihre Dämonen mit Würde entfesseln, nicht mit Hysterie“, schreibt sie und verrät, wie wenig sie hier von lautstarkem Begehren hält. Dem entspricht, daß der Film, der bei seiner Premiere im indischen Trivandrum eklatante Reaktionen, einschließlich Morddrohungen gegen die Regisseurin, provoziert hat, für sich selbst alles Drastische vermeidet und durch eine Sprache der tiefen Blicke und wichtig-kleinen Gesten ersetzt. Nichts soll diese Liebe, die nach den Maßstäben der indischen Gesellschaft noch immer ein namenloser Skandal ist, kompromittieren. Auch nicht der Sex, der sich nahtlos in den keusch-beschwörenden Rhythmus des Films einfügt.

Mit seiner bis zum Anschlag ausgereizten Beweisführung für die „innere Stärke“und „sanfte Reinheit“der weiblichen Figuren erzählt Fire so allerdings weniger eine lesbische Geschichte – Mehta selbst spricht von einem „humanistischen Film“– als ein Heldinnenepos: den Kampf zweier Märchenprinzessinnen um Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Liebe. Es liegt schließlich in der Logik dieses immer wieder mit (längst nicht nur ironischen) Zitaten aus der indischen Mythen- und Märchentradition aufgeladenen Bildpanoramas, daß weder der schnöde Verrat noch die zwangsläufige Entdeckung Sita und Rhada von ihrem Weg abhalten können. Im Gegenteil, erst auf dem Höhepunkt des Films erweist sich Rhada als Leitfigur der Geschichte. Sie geht durch das Feuer eines Mordanschlags und verläßt, stolz und unbeugsam, das ehemals mächtige Haus ihres Patriarchen.

Was allerdings das Paar außerhalb der Mauern ihrer Traditionen erwartet, das liegt für Fire, den ersten Teil einer geplanten Trilogie über die Gesellschaft des heutigen Indien, schon jenseits der eigenen melodramatischen Bildgrenze. Nur der verheißungsvolle Blick eines kleinen Mädchens reicht dorthin, wo weder Sita noch Rhada sind: „I see“, sagt sie ganz zuletzt und kann, wie die Mutter es ihr gesagt hat, endlich den Ozean sehen – „ohne hinzuschauen“. Elisabeth Wagner

Abaton, Neues Broadway, Zeise

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