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Schwere Kämpfe im Südlibanon

■ In Israel lebt die Debatte über einen Rückzug wieder auf

Jerusalem (taz) – Die israelische Armee und die schiitische Hisbollah-Miliz haben sich am Wochenende erneut heftige Gefechte im Südlibanon geliefert. Die israelische Luftwaffe flog am Samstag mehrere Angriffe gegen vermutete Hisbollah-Stellungen nördlich der sogenannten Sicherheitszone. Beide Seiten setzten schwere Artillerie und Mörser ein.

Die neue Runde der Gefechte war am Freitag eingeläutet worden. Nach Angaben der israelischen Armee versuchten mehrere Hisbollah-Trupps, in die besetzte „Sicherheitszone“ einzudringen. Bei dem anschließenden mehrstündigen Gefecht kamen nach libanesischen Angaben drei Hisbollah-Kämpfer ums Leben. Ein israelischer Armeesprecher bestätigte den Tod von zwei Hisbollah- Kämpfern. Damit sind innerhalb einer Woche 26 Libanesen, in der Mehrzahl Zivilisten, getötet worden. Die Artillerieduelle und Luftangriffe dauerten fast den ganzen Samstag über an. Hisbollah feuerte allerdings keine Katjuschas auf israelisches Gebiet.

Das Fünf-Länder-Komitee, das ein Memorandum überwacht, welches im April 1996 nach der israelischen Operation „Früchte des Zorns“ zwischen Hisbollah und der israelischen Armee erzielt worden war, hat sowohl Hisbollah als auch die mit Israel verbündete Südlibanesische Armee (SLA) wegen der Beschießung ziviler Ziele verurteilt. Nach viertägiger Beratung forderte das Komitee, dem Israel, Syrien, Libanon, die USA und Frankreich angehören, alle Konfliktparteien zur Zurückhaltung auf. Dennoch bereiten sich alle Seiten auf eine größere militärische Auseinandersetzung vor.

Israel hat seit der Einrichtung der „Sicherheitszone“ im Jahre 1985 rund 200 Soldaten im Südlibanon verloren. Im Februar 1997 waren zudem bei einem Zusammenstoß zweier Hubschrauber, die Soldaten in den Südlibanon bringen sollten, weitere 73 Soldaten getötet worden.

Die Intensität der jüngsten Kämpfe hat in Israel die Debatte um einen einseitigen Rückzug aus dem Libanon erneut entfacht. Dabei verlaufen die Fronten quer durch die politischen Lager. Nicht nur „Tauben“ der Arbeitspartei wie Jossi Beilin befürworten einen einseitigen Rückzug aus dem Südlibanon. Gideon Ezra, Likud-Abgeordneter und Israels Geheimdienstchef im Libanon nach der Invasion von 1982, sagte der Jerusalem Post: „Wenn Israel nicht mehr auf libanesischem Boden steht, wird Hisbollah das Interesse an Angriffen über die Grenze verlieren.“ Auf das Argument, daß Syrien ein Interesse daran habe, den Konflikt aufrechtzuerhalten, solange die Verhandlungen über den Golan nicht zum Abschluß gebracht seien, entgegnete Ezra: „Seit 1974 hat Syrien nicht eine einzige Kugel gegen Israel abgefeuert. Die Syrer sind nur im Libanon, weil wir dort sind.“

Ihm widersprach in derselben Ausgabe der Zeitung Uri Lubrani, Regierungsberater für libanesische Angelegenheiten. Ein einseitiger Rückzug gefährde die Einwohner in Nordisrael. Ohne bindende Abkommen mit Syrien werde es kein Ende der Angriffe auf Israel geben. Und er fügte hinzu: „Hisbollah wird vom Iran inspiriert, und das ist ein Faktor, den wir nicht kontrollieren können.“

Nach dem Helikopterunfall hatte der Chef der Arbeitspartei, Ehud Barak, einen stufenweisen Rückzug aus dem Südlibanon vorgeschlagen. Ministerpräsident Netanjahu verbat sich solche Überlegungen mit dem Argument, diese Debatte demoralisiere die eigenen Soldaten und ermutige die Hisbollah zu neuen Angriffen.

Ein Arafat-Berater kommentiert die Debatte trocken: „Wenn Israel sich vom Golan zurückzieht, wird Hisbollah in einem Tag von den Syrern kassiert. Dann brauchte Israel keinen einzigen Soldaten mehr im Libanon zu stationieren.“ Von einem solchen Junktim will man in Israel derzeit nichts wissen. Doch die Debatte wird mit jedem gefallenen israelischen Soldaten an Schärfe zunehmen. Das weiß auch Hisbollah.

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