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Stellenstreichung mit Verzögerung

■ CDU-Staatssekretär Orwat schließt Kündigungen in den Krankenhäusern nicht aus. Eine Vereinbarung zur Sicherheit der Jobs will er bei Bedarf wieder aufheben

Gesundheitsstaatsekretär Detlef Orwat (CDU) hat es immer wieder vollmundig betont: „Es wird keine betriebsbedingten Kündigungen in öffentlichen Krankenhäusern geben.“ Doch tatsächlich hält sich der starke Mann, der in der Stadt die Krankenhausplanung für das nächste Jahrtausend unter seinen Fittichen hat, diverse Hintertüren offen. Die Gesundheitsverwaltung plant, in den Krankenhäusern bis zum Jahre 2001 rund 2.350 Betten zu streichen.

Werden 1.500 Krankenhausbetten eingespart, können 3.000 Stellen wegfallen, schätzt Ernst-Otto Kock, Sprecher der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr. Denn, so die Rechnung, pro Klinikbett sind derzeit durchschnittlich zwei Mitarbeiter nötig.

Im Mai hatten die Gewerkschaften mit dem Senat ausgehandelt, daß im unmittelbaren Landesdienst wie Behörden, Schulen und Kitas nicht betriebsbedingt gekündigt werden darf. Die Vereinbarung gilt jedoch nicht für Krankenhäuser und Universitäten. Vor der Sommerpause gab es deshalb erste Verhandlungen zwischen der Gesundheitsverwaltung, der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG), der ÖTV und der Ärztevereinigung Marburger Bund (MB). Heute werden sie fortgesetzt.

Orwat hatte ein Verhandlungspapier vorgelegt, in dem es insbesondere um den zukünftigen Umgang mit dem Krankenhauspersonal geht, deren Stellen theoretisch schon eingespart wurden (sogenannte „Überhangliste“). Im Krankenhausbereich sind davon momentan offiziell 274 der 26.000 Beschäftigten betroffen.

Nach Vorstellung von Orwat sind betriebsbedingte Kündigungen nur dann ausgeschlossen, „wenn der betreffende Krankenhausbetrieb in der Lage ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, und eine Betriebsgefährdung nicht vorliegt“. Wenn theoretisch ein Krankenhaus durch Mißmanagement pleite ginge, kann dem Arbeitnehmer also gekündigt werden.

Weiterhin verlangt die Gesundheitsverwaltung, daß Kündigungen zulässig sind, „wenn die Arbeitnehmer ein Angebot zur Weiterbeschäftigung im Bereich der Krankenhäuser des Landes Berlin nicht angenommen haben“. Hier fordern die Gewerkschaften, daß auf jeden Fall auf die „Zumutbarkeit“ des Alternativjobs geachtet wird – zum Beispiel auf die Fahrzeit zum Arbeitsplatz, die nicht länger als anderthalb Stunden dauern solle.

Ebenfalls nicht sozialverträglich ist nach Ansicht der Gewerkschaften, daß die Überhangkräfte auch „zeitlich befristet“ in anderen Häusern eingesetzt werden können. „Eine Springerfunktion lehnen wir ab“, sagt Heike Spieß, die für die DAG verhandelt.

Schließlich kritisieren die Gewerkschaften, daß Orwats Vorschläge für die Leute im Personalüberhang keine ausreichende Sicherheit böten. Denn am Ende seines Papiers hat Orwat einen Passus eingefügt, der die einmal beschlossene Vereinbarung ganz schnell wieder zu Fall bringen kann. Des Staatssekretärs Forderung: Sei die Finanzierung des Personalüberhangs nicht mehr gewährleistet, ende die Vereinbarung „mit sofortiger Wirkung, ohne daß es einer Kündigung bedarf“.

DAG-Mitarbeiterin Spieß möchte diesen Absatz ganz streichen: „Wenn Krankenkassen, die ja im Moment den Überhang mitfinanzieren, sich weigern, diesen weiter zu bezahlen, oder Krankenhäuser in rote Zahlen kommen, kann das ganz schnell das Aus für die Beschäftigten bedeuten.“ Julia Naumann

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