: Anglo-irischer Pakt über Nordirlands Paramilitärs
■ Eine internationale Kommission soll die Waffen beider Seiten einmotten
Dublin (taz) – „Es war ein Friedenskonzert“, sagte ein Belfaster Fan der irischen Rockgruppe U2, „und das war unheimlich wichtig.“ Nach dem Waffenstillstand der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) im Juli hatten die vier Dubliner Musiker flugs ein Konzert in der nordirischen Hauptstadt organisiert. 40.000 Menschen kamen vorgestern in den Belfaster Botanischen Garten, um die gigantische Show mitzuerleben. „Hört bitte auf zu kämpfen“, rief Bono ihnen zu, „und fangt an zu reden!“
Genau das bereiteten Vertreter der britischen und der irischen Regierung zur gleichen Zeit im nahe gelegenen Schloß Stormont vor. Die britische Nordirland-Ministerin Mo Mowlam und der irische Außenminister Ray Burke unterzeichneten ein Abkommen, in dem das Prozedere für die Ausmusterung der Waffen paramilitärischer Verbände festgelegt ist. Man einigte sich auf die Einrichtung einer unabhängigen internationalen Kommission, die die Einmottung der Waffen überwachen soll. Diese Maßnahme soll die unionistischen Parteien dazu bewegen, sich mit Sinn Féin, dem politischen Flügel der IRA, bei den am 15. September beginnenden Verhandlungen an einen Tisch zu setzen.
Die ersten Reaktionen waren allerdings nicht sehr ermutigend. Der Protestanten-Pfarrer Ian Paisley von der Demokratischen Unionistischen Partei, die ihre Teilnahme an den Gesprächen ohnehin abgelehnt hatte, tat die Kommission als bedeutungslos ab.
Auch die größte nordirische Partei, die Ulster Unionist Party (UUP), warf den Regierungen vor, die Frage der Waffenausmusterung „völlig falsch angegangen“ zu sein. Ihr Sprecher Reg Empey, der ehemalige Belfaster Bürgermeister, sagte: „Die Kommission wird nicht vor Weihnachten einsatzfähig sein. Wir sind bei diesem Thema von der britischen Regierung die ganze Zeit hintergangen worden.“ Er fügte jedoch hinzu, daß die UUP weiterhin darüber beraten wird, ob sie an den Verhandlungen im nächsten Monat teilnehmen soll.
Die erwogene Alternative von „Stellvertreter-Gesprächen“, bei denen eine Mittelsperson die Botschaften zwischen den in verschiedenen Zimmern sitzenden Parteien überbringt, wurde von Sinn Féin verworfen. „Wie soll sich denn Vertrauen bilden, wenn man nur einen Mittelsmann zu Gesicht bekommt?“ fragte Parteivorsitzender Mitchel McLoughlin.
Die von der britischen Regierung verordnete sechswöchige „IRA-Dekontaminierungsphase“ seit dem Waffenstillstand läuft am Wochenende ab. Mowlam will heute oder morgen entscheiden, ob sie den Waffenstillstand für aufrichtig hält. Es ist jedoch zu erwarten, daß sie Sinn Féin an den Runden Tisch bitten wird. Unsicherer ist die Waffenruhe der Loyalisten. In den vergangenen Wochen ist es wiederholt zu interner Gewalt gekommen, da eine Splittergruppe den Waffenstillstand aufgekündigt hat.
Mowlam gab zu, daß man die paramilitärischen Organisationen nicht zwingen könnte, ihre Waffen herauszurücken. Bisher haben sowohl die IRA als auch die protestantischen Organisationen erklärt, das käme nur im Rahmen einer politischen Lösung des Konflikts in Frage. Mowlam hofft jedoch, daß die Kommission „eine Dynamik für die Ausmusterung“ schaffen könnte. Ralf Sotscheck
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