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Ein Machtwort jagt das nächste

■ Helmut Kohl will sein Kabinett schon wieder nicht umbilden. „Punkt, aus, Feierabend“, dekretiert der Bundeskanzler nach einem Treffen mit Theo Waigel. Die CSU schlägt statt dessen ein „Stühlerücken“ vor

Berlin/Bonn (taz) – Helmut Kohl sagt zur Kabinettsumbildung nichts mehr. Sagt er. Und das sagt er schon den zweiten Tag hintereinander. Gestern auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz in Berlin schon wieder: „Es bleibt bei dem, was ich Ihnen gesagt habe. Punkt, aus, Feierabend.“ Und gesagt hat er am Vortag, daß er nicht mehr sagt, als er am Montag gesagt hat. So sehen im Moment die gefürchteten Machtworte des Kanzlers aus: nervöse Wiederholungen aus der Tiefe des semantischen Raumes. Es wird in den nächsten Tagen noch einige davon geben. Bis dahin gilt: Das Kabinett wird so lange nicht umgebildet, solange das Kabinett nicht umgebildet wird. Alles weitere ist gesagt.

Ein gereizter Helmut Kohl belehrte gestern die Journalisten, daß die Aufregung über das Thema Kabinettsumbildung so gut wie vorbei sei. „Einen Tag können Sie noch berichten: Der übernimmt das Ressort, und der wechselt dahin. Aber schreiben Sie auch darunter: Das ist alles Blödsinn.“ Ein CSU-Sprecher kommentierte umgehend diesen Blödsinn. „Es kommt auf die Formulierung an. Helmut Kohl mag das Wort ,Kabinettsumbildung‘ nicht.“ Dennoch werde es „ganz automatisch“ zu einem „gewissen Stühlerücken“ kommen, wenn es die zugesagte Entschädigung für das Ausscheiden von Postminister Bötsch (CSU) zum Jahresende geben werde.

Auf das geheimgehaltene Treffen mit Theo Waigel angesprochen – das manche für noch bedeutsamer halten als das Zusammentreffen von Lothar Matthäus und Franz Beckenbauer Anfang Juli in Hongkong –, berichtete der Kanzler genüßlich, dies hätte bereits stattgefunden. Er habe mit Theo Waigel „in einer sehr guten Atmosphäre“ über die von diesem angestoßene Diskussion gesprochen. Kohl räumte ein, daß Waigel das Amt des Finanzministers im kommenden Jahr niederlegen wolle, und zeigte Verständnis für die Äußerungen des CSU-Vorsitzenden. Waigel stehe in seinem Amt unter einem hohen Druck. Deshalb sei es ganz normal, „wenn dann mal einer sagt: Ich schmeiss' den Bettel hin.“ Waigel hatte am Wochenende seinen eigenen Satz, neun Jahre Finanzminister seien genug, wieder relativiert. Er sei nicht amtsmüde.

Der Kanzler sieht kein tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen den Schwesterparteien. Die CSU laufe „nicht aus dem Ruder“. Im Vergleich zu den Zeiten von Franz Josef Strauß sei er derzeit „direkt verwöhnt“. Kohl bestritt auch, daß es in seiner Partei weiter eine Diskussion über eine Kabinettsumbildung gebe.

Die CSU überlegt derweil, ob sie den Vorstoß ihres Parteivorsitzenden noch richtig gut finden soll. Bayerns Innenminister Günther Beckstein war am Mittwoch der erste führende CSU-Politiker, der sich aus der Deckung traute und aus dem zunehmenden Unmut in den eigenen Reihen keinen Hehl machte. „Mir hängt es zum Halse raus“, sagte Beckstein im Münchener Presseclub. Die Partei müsse so schnell wie möglich zur Sacharbeit zurückkehren. Zum strategischen Vorgehen von Waigel erklärte der Nürnberger Bezirkschef, dessen Verhältnis zum CSU-Chef als gespannt gilt: „Es war sicher nicht die letzte Klugheit, wie das gelaufen ist.“ Damit ist jetzt alles gesagt. Punkt, aus, Feierabend. Jens König Bericht Seite 4

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