Für eine Handvoll Mark

Das Konzept heißt Masse: „Clubs United“ im fünften Jahr mit 22 Veranstaltungsorten, fünf Sonderbuslinien, vielen Bands und DJs auf der Suche nach dem Break Even Point  ■ Von Thomas Winkler

Konzerte organisieren ist ein mühseliges Geschäft. Das erklärt einem zumindest jeder Veranstalter der Stadt, während er heftig seufzt. In den Zeiten von Events, Happenings und Paraden im Wochenendtakt reicht es schon lange nicht mehr, ein paar halbwegs gute Musikanten auf eine Bühne zu stellen und zu hoffen, das Volk möchte den Laden schon füllen. Die Dance-Szene hat vorgemacht, daß die Identifikation über Ort und Locations eher einen beständigen Publikumszuspruch sichert als ein unregelmäßig wechselndes Konzertprogramm. So geht auch in klassischen Rock-Clubs der Trend zum eigenen Profil, ob im Knaack, wo man immer wieder Mittwochs Berliner Bands bei freiem Eintritt zu sehen bekommt, oder selbst in der Mutter aller Punk-Schuppen, dem SO 36, das sein Image längst erfolgreich zum Party-Dienstleister mit festen Programmschienen gewandelt hat.

Offensichtliches Symptom dieses veränderten Konsumverhaltens ist der Erfolg von Clubs United. Als das Konzept im Jahre 1993 mit 13 Clubs debütierte, brachen die Busrouten zusammen, weil sich mehr als doppelt so viele wie die 7.000 projektierten Besucher drängelten. Seitdem ist die Anzahl der teilnehmenden Clubs stetig gestiegen, während man die Anzahl der ausgegebenen Karten streng reglementiert. Im letzten Jahr kauften über 9.000 ein Ticket, heute abend hofft man auf 10.000. Höchstens 13.000 könnten verkraftet werden von den 22 Clubs und der BVG, die wie immer fünf Busrouten organisiert, auf denen man die Läden abklappern kann. Das Chaos von damals, versichert Organisatorin Simone Hofmann von „Das Büro“, wird sich ganz bestimmt nicht wiederholen.

„Das Publikum hat sich verändert“, glaubt Hofmann, „in den ersten Jahren kamen viele lokale Leute, inzwischen kann man das überregional verkaufen.“ Auch in der Stadt ist man glücklich über die alljährliche Leistungsschau der Clubszene. Keiner der angesprochenen Clubbetreiber mäkelt prinzipiell an der Veranstaltung, manche sind gar euphorisch. „Ich find das gut“, sagt Alex Zielesch, die Promoterin von Trash und Huxley's. Sie hat sogar beobachtet, daß „die Bands gerne da spielen und dann auch schon mal zu niedrigeren Gagen.“ Ein nicht unwesentlicher Faktor, denn das Budget ist nicht allzu hoch für die einzelnen Veranstalter, die ihr Programm autonom zusammenstellen.

Da etwa das Niagara nur 150 Besucher faßt, ins Foyer der Arena aber ungefähr 1.000 Leute passen, sind die Zuwendungen in diesem Jahr erstmals so aufgeschlüsselt, daß kleinere Clubs mehr bekommen, als ihnen von ihrer Kapazität her zustehen würde. „Die großen Clubs haben entschieden, die kleinen mit zu subventionieren“, erzählt Hofmann, „sonst hätten wir kein vernünftiges System aufstellen können und die Kleinen wären abgesprungen.“ Oberstes Prinzip bleibt eine möglichst repräsentative Auswahl des Berliner Clubgeschehens, was automatisch auch auf die Spannbreite der Musik abfärbt: Die Kalkscheune bietet eine Drag-Queen-Show, im Toaster legen DJs Reggae und Drum 'n' Bass auf, der Pfefferberg lockt mit Weltmusik im weitesten Sinne. Kurz gesagt: Ein jeder bleibt sich treu und das soll auch so sein.

Trotzdem stimmt die lokale Journaille alle Jahre wieder das Klagelied von zuviel Masse und zuwenig Klasse an. Ohne dabei zu bedenken, daß die Masse das Konzept ist und die Klasse keinen Sinn machen würde. Auch in diesem Jahr finden sich zwar kaum Acts, die nicht aus Berlin kommen, andererseits sind einige dabei, die lange schon über den Kakerlakenübungskeller hinausgekommen sind, wie Alice Brennen, Rekord, die Cuban Rebel Girls oder die Butlers. Und das WTF fliegt aus England den Drum-'n'-Bass-DJ Swift ein. Das Problem ist: Wenn wirklich einmal Semiberühmtheiten mittun, wollen da natürlich alle hin und führen das Konzept ad absurdum. Als vor zwei Jahren Fettes Brot aufspielten, verstopften die vor dem SO 36 wartenden Massen die Oranienstraße derart, daß die Busse umgeleitet werden mußten.

Es ist voll in den meisten Läden an diesem Abend, aber das weiß man schon vorher. Und viele gehen genau deswegen hin, und weil es sich im Bus leichter Menschen kennenlernen läßt als im dunklen Club. Der von Hofmann propagierte Schulterschluß zwischen den Szenen findet zwar nur punktuell und vorzugsweise in den im Idealfall zehnminütlich verkehrenden Bussen statt, aber immerhin: er findet statt. „Zum Teil kommen auch Leute, die sonst nie kommen“, hat Myriam Kandulski vom SO 36 beobachtet, und hofft, daß manche von denen dann vielleicht auch einmal wiederkommen. Auf jeden Fall „kommen sich die Clubs näher“, meint Zielesch, „mit dem SO waren wir uns nicht so grün, und das wird immer besser.“ Die sonst in Konkurrenz stehenden Veranstalter finden Gemeinsamkeiten und stellen fest, daß es ganz ohne die anderen halt auch nicht geht, wodurch auch der neue Verteilungsschlüssel erst möglich wurde.

„Aber es ist auf jeden Fall keine Veranstaltung“, sagt Kandulski, „mit der man Geld verdienen kann.“ Zwar schloß Clubs United bisher noch in jedem Jahr mit einem Gewinn ab, aber da bleiben für die einzelnen Clubs kaum mehr als ein paar hundert Mark übrig. Ein eventueller Verlust würde ebenso verteilt werden, ist aber auch in diesem Jahr bei einem niedrig angesetzten Break-Even- Point von 8.300 verkauften Tickets nicht zu erwarten.

Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dabeizusein, „wenn man neues Publikum erschließen will“, meint Stefan Grey vom Knaack und glaubt beobachtet zu haben, daß Clubs United dazu beiträgt, woran die Politik seit sieben Jahren vergeblich bastelt: „Man kennt ja die Berliner, die fahren ja nicht mal von Kreuzberg nach Prenzlauer Berg. So kommen viele neue Leute, die nur mal reinschnuppern wollen, und so verschwindet auch das Mauerdenken.“