: Flüsse statt Menschen
■ Flutschutz bei Naturverbänden: In Flußnähe lebende Menschen umsiedeln
Berlin (taz) – Wenn es nach dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) ginge, würden bald keine Menschen mehr links und rechts der Flüsse wohnen. Mehr Raum müsse den Flüssen gegeben werden, forderte gestern Nabu-Bundesgeschäftsführer Gerd Billen anläßlich der Konferenz „Lebendige Flüsse“, die an diesem Wochenende in Potsdam stattfindet. Experten des Nabu und der Grünen Liga präsentierten ihre Ideen zum Hochwasserschutz.
Die kaum überstandenen Überschwemmungen an der Oder zeigen aus Sicht der Naturschützer, daß Menschen nicht in potentiellen Überschwemmungsgebieten leben sollten. Sofortige Konsequenz der Hochwasserkatastrophe müsse ein Baustopp in möglichen Überschwemmungsgebieten sein, findet Billen. Auf längere Sicht möchte der Nabu den bereits dort lebenden Menschen den Umzug schmackhaft machen. „Es muß ein Konzept her, das den Menschen eine Perspektive an wirklich sicheren Orten bietet. Man könnte etwa an positive finanzielle Anreize für Umsiedlungswillige denken.“
Im brandenburgischen Umweltministerium weist man diese Forderung zurück. „Umsiedlungen stehen nicht zur Debatte“, sagt Dieter Schütte, Sprecher des Ministeriums. Das habe auch Minister Matthias Platzeck in den vergangenen Wochen mehrfach betont. Für einen besseren Hochwasserschutz sollen allerdings weitere Überlaufflächen in Brandenburg geschaffen werden. Das Ministerium nannte kürzlich Areale bei Sophienthal (Kreis Märkisch-Oderland) und Stolpe (Uckermark), die 2.245 Hektar umfassen.
Nabu und Grüner Liga gehen solche Vorschläge nicht weit genug. Schon im nächsten Jahr könne sich das Hochwasserproblem an der Oder verschärft stellen, meint Rocco Buchta vom Nabu Brandenburg. Beim diesjährigen Hochwasser habe Polen – unfreiwillig – als Überschwemmungsfläche herhalten müssen. „Werden in Polen die Deiche verstärkt, wird das nächste Hochwasser in Brandenburg schlimmer“, so Buchta.
Es sei aber „irrwitzig, erst Milliarden Mark für den Bau immer höherer Deiche auszugeben, um nach der nächsten Katastrophe noch mehr Geld in die Schadensregulierung stecken zu müssen“, sagte Markus Schrötter von der Grünen Liga. Auch er setzt auf die Renaturierung und Entsiedlung der ufernahen Gebiete. Um die Rückverlegung von Deichen und die Wiederaufforstung von Auenwäldern bezahlen zu können, fordern Nabu und Grüne Liga eine Versiegelungsabgabe von 50 Mark pro Quadratmeter. So könnten bis zu 15 Milliarden Mark jährlich zusammenkommen. gg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen