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Aus dem Helikopter direkt unters Messer

■ Europas modernste Unfallklinik Marzahn öffnet die Pforten. Flexible Arbeitszeiten und Prämien für das Personal

Als „Europas modernstes Unfallkrankenhaus“ wird das 486- Betten-Haus schon jetzt gefeiert: Nach fünfjähriger Planungs- und Bauzeit ist gestern das Krankenhaus Marzahn eingeweiht worden. Die Klinik, die in Kooperation mit dem Land Berlin und den Berufsgenossenschaften entstanden ist, versorgt ab morgen Unfall- und Verbrennungsopfer aus allen Teilen der Bundesrepublik.

Trotz des geplanten Bettenabbaus sei der Bau notwendig gewesen, sagte gestern der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) bei der Eröffnung, da der Ostteil der Stadt bisher unterversorgt gewesen sei. Das Krankenhaus soll mit 19 Fachabteilungen auch die stationäre Versorgung für die Bezirke Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen sicherstellen.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Bernd Köppl, kritisierte, daß dafür im Ausgleich nicht genügend Abteilungen anderer Häuser geschlossen wurden und somit auch nur wenig Personal umgezogen ist: „Das Krankenhaus wird die Finanzprobleme der Stadt noch verschärfen.“ Das jährliche Budget liegt bei 112 Millionen Mark.

Modern sei das Krankenhaus deshalb, weil viele innovative Arbeitsmethoden eingeführt werden sollen, freute sich gestern der Ärztliche Direktor Axel Ekkernkamp. So soll es in dem 466 Millionen Mark teuren Bau – 40 Prozent davon zahlten die Berufsgenossenschaften – kaum noch „Papierkram“ geben: Alle Befunddaten können auf den Stationen und den Operationssälen an Monitoren eingesehen werden und sind so ständig verfügbar. Besonders stolz ist der 40jährige Leiter, der vorher in der Unfallklinik „Bergmannsheil“ in Bochum war, auch auf den riesigen Hubschrauberlandeplatz auf dem Klinikdach: Über separate Fahrstühle können die Verletzten vom Helikopter ohne Umwege direkt in die Operationsräume geschafft werden. Auch sonst wirkt die Klinik wie ein Musterbeispiel aus einer der zahlreichen Fernsehserien: Lange pastellfarbene Flure, an dessen Ende geschäftige Schwestern in gläsernen Terminals sitzen, geräumige Zimmer mit großen Fenstern und sogar ein Café mit Internetanschlüssen gibt es.

Auch innerbetrieblich soll sich das Krankenhaus von anderen Kliniken abheben. Die Leitung plant, den 160 ÄrztInnen, 550 PflegerInnen und 70 Verwaltungsangestellten Prämien zu zahlen: Statt Lebensalter und Dienstjahren soll die individuelle Leistung zum Kriterium für das Gehalt werden. Gesundheitsstaatsekretär Detlef Orwat (CDU), der als „geistiger Vater“ von Marzahn gilt, möchte deshalb einen Modell-Haustarifvertrag durchsetzen. Momentan ist die Tarifgrundlage im Krankenhaus Marzahn noch BAT-Ost.

Um die Klinik, die von dem Architekten Karl Schmucker in unmittelbarer Nachbarschaft des Wilhelm-Griesinger-Krankenhauses erbaut wurde, optimal nutzen zu können, schwebt Ekkernkamp vor, alle 13 Operationssäle rund um die Uhr zu besetzen. Es soll jedoch keine feste Zuweisung für bestimmte Operationen und Fachgebiete geben, die Säle sollten nach Bedarf genutzt werden.

Auch sollen „flachere“ Hierarchien geschaffen werden: „In der Pflege lassen wir die mittlere Hierarchiestufe weg“, sagt Ekkernkamp. Julia Naumann

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