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Junge Genossen als Störfaktoren

■ Oskar Lafontaine bittet zwanzig Jusos zum Fototermin – Chancen auf Bundestagsmandate haben sie in der SPD kaum

Berlin (taz) – Einer hat es geschafft. Christoph Mossbauer ist Juso und kandidiert 1998 für den Bundestag. Mindestens 15 müssen es schaffen, lautet der Parteitagsbeschluß. So viele junge Abgeordnete möchte die SPD im nächsten Bundestag aufbieten. Jung sein heißt auf sozialdemokratisch: unter 35 Jahre alt. Insgesamt 26 junge Sozialdemokraten bewerben sich um eine Direktkandidatur. Der Kampf mit den Alten, mit den etablierten, innerparteilichen Gegenkandidaten gilt jedoch als schwierig bis aussichtslos. Hilfe in der Not kam von Oskar Lafontaine am Montag abend – mit einem gemeinsamen Fototermin.

Mossbauers Kandidatur sei nur „der erste Schritt in die richtige Richtung“, mahnt Andrea Nahles, „weitere müssen folgen“. Die Bundesvorsitzende der Jusos verweist auf den Beschluß des groß inszenierten Jugendparteitages der SPD im Herbst vorigen Jahres in Köln. Als Ende der Blockade der berüchtigten Enkelgeneration gefeiert, entpuppt sich seine Umsetzung jedoch als illusorisch. „Das mittlere Machtkartell betrachtet junge Genossen im Wahlkreis als Störfaktor“, klagt Nahles. In „jahrzehntealten Seilschaften“ kungeln die etablierten Genossen vor Ort die Kandidaturen aus. Von den 26 jungen Sozialdemokraten, die als Direktkandidaten für den Bundestag antreten möchten, haben nur „acht bis zehn“ reale Chancen. Das ärgert Andrea Nahles: „Die Selbstverpflichtung der Partei verkommt zum Lippenbekenntnis.“

Dabei hätte die SPD allen Grund, ihre Bundestagsfraktion zu verjüngen. Gerade einmal fünf von 251 Sozialdemokraten im Parlament sind jünger als 35. „Wer sollen die Träger der SPD in zehn Jahren sein, Oskar?“ fragte Andrea Nahles den großen Vorsitzenden in einer einsamen Stunde auf einem Kongreß im schwedischen Malmö. Oskar verstand. Auf dem Treffen am Montag in Bonn versprach er, jeden jungen und nominierten Kandidaten im Wahlkampf durch persönlichen Besuch zu unterstützen. Ganz uneigennützig ist seine Hilfe jedoch nicht: Der Juso-Nachwuchs vertritt überwiegend linke Positionen und hat „große Schwierigkeiten mit Schröder“ (Nahles). Druck auf die Basis ausüben mag Oskar Lafontaine aber nicht. So müssen sich die jungen Leute allein durchbeißen.

„Uns fehlen die Verbindungen, wir haben halt noch keine Posten zu vergeben“, stöhnt Matthias Linnekugel. Der Berliner Juso-Vorsitzende bewirbt sich um eine Kandidatur im Wahlkreis Kreuzberg/ Schöneberg. Finanziell können die jungen Genossen schon gar nicht in den Wahlkampf investieren. „Wir sind meist Berufsanfänger und haben nichts auf der hohen Kante.“ Dieses Dilemma hat auch die Parteiführung erkannt. Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering versprach finanzielle Unterstützung für junge Kandidaten in armen Wahlkreisen: „Daran wird es nicht scheitern.“ Verbindlicher ging's auch hier nicht.

Andreas Nahles will „um jede einzelne Kandidatur kämpfen“. Mit „vernetzter Unterstützung“ wollen die Jusos einander beistehen. Vielleicht machen die Auseinandersetzungen in der SPD ja fit für den eigentlichen Wahlkampf. Christoph Mossbauer etwa darf sich mit dem CSU-Platzhirsch Erich Riedl raufen. Der Favorit ist Jahrgang 1933. Robin Alexander

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