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Geprügelt und geknebelt

■ Europarat und ai prangern unmenschliche Abschiebepraxis an

Berlin (taz) – Das Anti–Folter- Komitee des Europarats hat gestern in seinem Jahresbericht für 1996 den 40 Mitgliedsländern eine herbe Rüge erteilt. Neben den mittlerweile zur traurigen Regel gewordenen Vorwürfen an die Türkei wegen anhaltender Folterpraxis, richtete das Komitee sein Hauptaugenmerk auf die Behandlung illegaler Einwanderer.

Der Bericht fordert besondere Zentren für Abschiebehäftlinge, die bisher meist in Polizeiwachen festgehalten werden, die Unterbringung in Gefängnissen sei „nicht zu rechtfertigen“, da Illegale keine Straftäter seien. Außerdem seien die meisten Haftanstalten Europas restlos überfüllt. Nur in speziellen Zentren könne ein normaler Kontakt der Betroffenen mit Angehörigen und Anwälten gewährleistet werden.

Außerdem kritisierte das Komitee den Vorgang der Abschiebung als „absolut unannehmbar“. Während der Fahrt zum Flughafen würden die Abschiebehäftlinge oft geschlagen, gefesselt, geknebelt und mit Medikamenten ruhiggestellt. Das Anti-Folter-Komitee hatte bereits im vergangenen Juli in einem eigens angefertigten Länderbericht ähnliche Kritik auch an der deutschen Abschiebepraxis geübt.

Auch amnesty international (ai) spart in einem Bericht von heute nicht mit Vorwürfen gegen Bonn. Immer weniger Flüchtlinge würden ein Bleiberecht erhalten. Besonders tragisch sei dies im Fall von Algerien. Selbst nach der schweren Gewaltwelle der letzten Tage würden Schutzsuchende abgewiesen. „Mitgliedern der verbotenen Islamischen Heilsfront (FIS) wird nicht geglaubt, daß sie vom algerischen Staat verfolgt werden.“ Und wer vor den radikalen Islamistischen Bewaffneten Gruppen (GIA) flieht, dem „wird erklärt, daß der algerische Staat alles tue, um diese Menschen zu schützen“. Für ai eine glatte Heuchelei, denn gleichzeitig raten „alle europäischen Regierungen ihren eigenen Staatsbürgern, das Land wegen der gefährlichen Situation zu verlassen.“ Amnesty fordert deshalb einen sofortigen Abschiebestopp nach Algerien. Reiner Wandler

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