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Souveränes Säckeschleppen

Nur Mädchen spielen nur Jungen: Ottfried Preußlers „Krabat“heute in der Roten Flora  ■ Von Janina Behrens und Sina Eckhoff

„Es nervt!“„So ein Scheiß!“– Müllerbursche Katharina flucht über den schweren Sack auf ihrem Buckel. Kollege Frederike ächzt mit einem weiteren Zentner Mehl über die Bühne. Theater rollenverkehrt zeigt die Jugendtheatergruppe „Kanafaneny“heute in der Roten Flora am Schulterblatt. In ihrer Interpretation des Jugendromans „Krabat“von Ottfried Preußler sind die Mühlknappen Mädchen, und ist der Müller eine Frau.

Das Stück erzählt vom 14jährigen Krabat, der in den Bann des Zaubermeisters einer magischen Mühle gerät. Nur dem Mädchen, in das er sich verliebt, gelingt es, ihn und die anderen Lehrjungen zu befreien. Soviel zur Theorie. Als „Kanafaneny“, damals noch mit Jungen und Mädchen, vor anderthalb Jahren die ersten Kußszenen probte, verließen die Jungen fluchtartig Raum und Gruppe. Seitdem spielen die 15- bis 18jährigen Frauen allein.

„Wir haben Jungen in der Schule oder in der U-Bahn beobachtet“, sagt Leiterin Charlotte Rudolph. „Das haben wir dann nachgespielt.“So sollten die Schauspielerinnen männliches Verhalten üben. Denn in der Pubertät, meint Rudolph, „werden Mädchen leise. Sie passen sich einer Gesellschaft an, die von ihnen verlangt, sich rollenkonform zu verhalten“.

Nach fast zwei Jahren als Müllerburschen und Zaubermeister treten die Mädchen selbstbewußter auf, sagt eine von ihnen. „Manchmal brauche ich Jungen nur resolut anzugucken, und die haben schon Respekt.“Da helfen auch die Stimmübungen und die Körperarbeit in der Theatergruppe. Nicht nur auf der Bühne wird mit dem Fuß aufgestampft. Auch Eltern und Freunde hätten bemerkt, daß die Jugendlichen sich seltener einschüchtern lassen, erzählt eine Mitspielerin.

Die Mädchengruppe scheint damit für alle eine Bereicherung. Trotzdem: „Jetzt wäre es schön, wieder ein paar Jungen zu haben“, findet Müllerbursche Frederike. „Schließlich sind wir mittlerweile älter geworden.“

Krabat, heute 20 Uhr, Rote Flora.

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