„Totengräber der Seeschiffahrt“

Hapag-Lloyd-Verkauf: WestLandesbank sackt Hamburg ein. Voscherau ist sauer  ■ Von Florian Marten

Bernd Wrede, knackbraun mit Silbertolle wie eh und je, hat mal wieder ganze Arbeit geleistet. Leise, still und effektiv hat der Vorstandschef des Hamburger Traditionsunternehmens Hapag-Lloyd seine Firma zu einem sensationell guten Preis losgeschlagen. Damit, so befürchtet sogar Bürgermeister Henning Voscherau (SPD), habe Wrede den Standort Hamburg und die deutsche Seeschiffahrt schwer geschädigt. Mit unverhohlener Kapitalismus-Kritik moserte Voscherau gestern über den 2,8-Milliarden-Mark-Deal: „Die von mir bevorzugte breite Streuung einer Mehrheit der Aktien ist an dem Interesse der Alt-Aktionäre gescheitert, ihre Einstiegskurse zu vervielfachen.“Doch eine „feindliche Übernahme in Hamburg unter Beteiligung der WestLB werde es nicht geben“, versprach der Bürgermeister: „Dann gibt es Ärger.“

Seit vielen Monaten schon wollten die Hapag-Eigentümer Veba, Gevaert, Deutsche Bank, Dresdner Bank, Kaufhof und Lufthansa mit ihren Aktien kräftig Kasse machen. In Bernd Wrede, der bei Hapag-Lloyd eine steile Karriere vom Finanzchef zum Vorstandsvorsitzenden durchlief, fanden sie einen idealen Helfershelfer. Anerkennend erinnert sich Helmut Pommerenck, langjähriger Seebetriebsratsvorsitzender: „Wredes rigide Finanzpolitik, die jede Rationalisierung favorisierte, war verpackt in gut vorbereitete Konzepte. Es ging meist ziemlich leise und reibungslos.“

So auch diesmal. Hinter verschlossenen Türen handelte Wrede bei den sieben Großaktionären einen fantastischen Preis von 1040 Mark für die einst gerade mal 100 Mark teuren Hapag-Aktien aus. Nicht ganz ohne Eigennnutz, so munkelt man: Wrede soll zur Belohnung in den Preussag-Vorstand wechseln dürfen.

In den vergangenen Jahren hatte er radikal mit den alten Seefahrtstraditionen bei der 1847 gegründeten Hapag aufgeräumt. Sein Kurs der Ausflaggung und der Billig-Arbeitskräfte – auf der größten deutschen Reederei arbeiten von einst 3000 gerade noch 200 deutsche Seeleute – brachte ihm nicht nur im eigenen Haus den Spitznamen „Totengräber der deutschen Seeschifffahrt“ein. Selbst der sonst so brave Claus Wilde, altehrwürdiger Herausgeber des 137 Jahre traditionsreichen Reeder-Magazins „Hansa“, schäumte kürzlich über Wredes Verlust an „Ethik und Verantwortungsgefühl“.

Nutznießer des smarten Wrede-Deals dürfte vor allem die Preussag-Großaktionärin Westdeutsche Landesbank in Düsseldorf sein, die für ihre aggressive Expansionspolitik bekannt ist. Ihre Kieler Tochter Nord LB kaufte im Sommer die knappe Hälfte der Hamburgischen Landesbank; über die Preussag kontrolliert sie auch die Kieler Werft HDW, die ihrerseits die Hamburger Werft Blohm + Voss übernehmen dürfte. Insider der Monopoly-Szene entwerfen derzeit folgendes Szenario: Hapag-Lloyd-Tourismus saniert und stärkt die WestLB-Touristikbereiche. Durch Aktien-Teilverkäufe wird ein Teil des Deals refinanziert, mittelfristig steht die Ausschlachtung der Hapag auf dem Programm.

In jedem Fall aber dehnt die WestLB ihren Einfluß entscheidend aus, wie selbst Hamburgs CDU feststellen muß: „Wir bedauern, daß ein weiteres Hamburger Unternehmen künftig fremdbestimmt wird und das wiederum mit erheblichen Einflußmöglichkeiten der übermächtigen WestLB.“