: Betroffen ist die ganze Familie
■ Immer mehr Kinder und Jugendliche müssen zur täglichen Insulinspritze greifen
Die Neuerkrankungen an Diabetes im Kindes- und Jugendalter nehmen nach Angaben von Medizinern zu. In Deutschland seien derzeit 15.000 bis 20.000 Menschen unter 18 Jahren von der Zuckerkrankheit des Typs 1 betroffen, berichteten Ärzte letzte Woche in Berlin. Dies entspreche etwa einem Fall auf 10.000 Einwohner.
Die Experten stellten das vor kurzem errichtete Sozialpädiatrische Zentrum am Berliner Virchow-Klinikum vor, das speziell auf die Versorgung chronisch kranker Kinder zugeschnitten ist – in Deutschland eine bislang einzigartige Einrichtung. Für das aus Ärzten, Psychologen und Ernährungsberatern bestehende Team steht die Schulung der kleinen Patienten und ihrer Eltern im Umgang mit der Krankheit im Vordergrund. „Schließlich ist es ein Unterschied, ob ein 16jähriger Jugendlicher oder ein Säugling an Diabetes erkrankt“, erklärte Gerhard Gaedicke, Leiter der Abteilung Kinderheilkunde am Virchow-Klinikum. In den Schulungen lernen die Eltern zunächst, ihre Ängste im Umgang mit dem kranken Kind abzubauen. Weitere Schwerpunkte sind Ernährung, Bewegungstherapie und die Medikamentenverabreichung.
Die sechsjährige Lisa, die bereits im Alter von zehn Monaten an Diabetes erkrankte, wird mit 380 weiteren am Typ1 erkrankten Kindern vom Sozialpädiatrischen Zentrum betreut. Vom Typ1 der Zuckerkrankheit wird gesprochen, wenn diese aufgrund von Insulinmangel ausbricht. Der häufigere Typ2 beruht dagegen auf der verminderten Wirkung des vorhandenen Insulins. Zweimal täglich muß Lisa Insulin spritzen und fünf- bis sechsmal täglich den Blutzuckerwert bestimmen. „Ihre Krankheit hat unser ganzes Familienleben umgekrempelt“, erzählt die Mutter.
Ein großes Manko ist nach Meinung von Professor Bruno Weber, daß die Krankheit bei Kindern oft zu spät erkannt wird: „In den schlimmsten Fällen ist der Organismus des Kindes völlig übersäuert.“ Die wichtigsten Symptome sind übermäßiger Durst, der häufige Gang zur Toilette und Gewichtsverlust.
Als mögliche Ursachen von Diabetes werden unter Experten mehrere Faktoren diskutiert. So gehen manche Fachleute von einer Viruskrankheit aus, andere verweisen auf den Einfluß von Nahrungsmitteln. Als ein Auslöser der Krankheit werden Eiweiße in der Kuhmilch vermutet, heißt es bei den Experten. Denn unter den an Diabetes erkrankten Jugendlichen gebe es gehäuft solche, die als Babys nicht gestillt worden seien. Neben den Krankheitsursachen bereiten der Fachwelt auch die regionalen Unterschiede Kopfzerbrechen. Professor Zvi Laron aus Tel Aviv, Israel, der als einer der führenden Diabetologen bei Kindern gilt, erläutert: „Wir haben festgestellt, daß sich die Zahl der Neuerkrankungen bei Jemeniten in Israel und Finnen in den letzten Jahren verdoppelt hat.“ Bei den Arabern hingegen sei kein Anstieg zu verzeichnen. Als Ursache vermutet der Experte „ungünstige Umwelteinflüsse“. Sabine Möhring
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