piwik no script img

Atombombensichere Kästchen in Schneiders Kellern

■ Gefeuerter Bankmanager sagte gestern im Prozeß gegen Jürgen Schneider aus: Atomsicherer Keller der Frankfurter Zeil-Galerie sollte geheim vermietet werden

Frankfurt/Main (taz) – „Butter bei die Fische“ hatte der Vorsitzende der 29. Strafkammer des Frankfurter Landgerichts, Heinrich Gehrke, vor der Sommerpause gefordert. Vom wegen schweren Betrugs, Kreditbetrugs und Urkundenfälschung angeklagten Ex-Baulöwen Jürgen Schneider bekam er sie auch gestern nicht. Der saß bis zum Mittag schweigend und interessiert über die Goldrandbrille lugend auf der Anklagebank und war so braun, als habe er die Gerichtsferien nicht in der Zelle, sondern in der Karibik verbracht.

Daß der Fisch auch ungebuttert zuerst vom Kopfe stinkt, versuchte währenddessen im Zeugenstand der gefeuerte Ex-Bankdirektor Klaus Peter Fischer zu vermitteln. Seine Filiale der Deutschen Bank in Baden-Baden hatte die meisten der Milliarden-Pleiteprojekte des Stammkunden Schneider zwischenfinanziert.

Der erste Verdacht, daß bei dem honetten Herrn Schneider mit dem großen Familiensinn nicht alles „ganz in Ordnung“ sei, sei ihm schon im Jahr 1993 gekommen. Die hätten sich anschließend verdichtet. Vorsichtige Noten an die Bankoberen aber hätten nicht gewirkt. Seine Chefs hätten es wegen der Größe des „Engagements“ schon gar nicht mehr so genau wissen wollen.

Statt dessen sei er mehr und mehr ausgeschaltet und von den Vorgesetzten in Mannheim und Frankfurt gebremst worden. Fischer ist sicher: „Jeder hat was gewußt.“ Aber der interne Informationsfluß auf dem Weg durch die Hierarchien habe nicht funktioniert, weil Kommunikationsstrukturen „unprofessionell zerschlagen“ worden seien.

Fischer sagte aus, er selbst habe dann versucht, sich auf Schneiders Baustellen durch Augenschein schlau darüber zu machen, ob das geliehene Geld wenigstens zweckbestimmt verwendet werde. Einen der größten Schneider-Coups, die Zeil-Galerie in Frankfurt, habe er auch selbst besichtigt und gesehen, daß auf dem Bauschild nicht einmal 10.000 Quadratmeter Ladenfläche ausgewiesen wurden, obwohl die Kredite für eine Mietfläche von 20.000 Quadratmetern vergeben worden waren.

Wie diese Ungereimtheit von Schneider wieder aus der Welt geschafft wurde, hätte auch Freiherr von Münchhausen nicht besser erklären können als der Zeuge Fischer. Bankintern sei der hohe Kredit an das Ehepaar Schneider auch damit begründet worden, daß in der Ladengalerie im Erdgeschoß eine atombombensichere Kellerdecke eingezogen worden war. Diese vor der Öffentlichkeit geheimgehaltene Sicherheitsmaßnahme sei nach der Wiedervereinigung eigentlich überflüssig geworden. Allein, eine neue Geschäftsidee als Ersatz fand sich nicht. Die „Sicherheitstrakte“ im mehrgeschossigen Untergrund sollten nunmehr – „Frankfurt ist ja eine Bankenstadt“ – als „Kästchen“, sozusagen eine bombensichere Vergrößerung der Mietfläche im Stapelprinzip, an solche Kunden vermietet werden, die Wertvolles oder Geheimzuhaltendes sicher lagern wollten.

Gedacht gewesen sei dabei zum Beispiel an Juwelen oder Kopien von Computerprogrammen, wie sie auch die Deutsche Bank außerhalb deponiere. Das gleiche Prinzip sei anschließend auch für das teure Bernheimer-Palais in München vorgesehen gewesen, nach dem Motto: „Wir machen das zum Prinzip, und damit hat es sich. Und alle fanden das wunderbar!“

Der Vorsitzende Richter Gehrke konnte seine Verblüffung nicht verhehlen: „Da sind 10.000 Quadratmeter im Keller verschwunden?“ Dem schloß sich Schneiders Verteidigung an: „Da steckte ja die Hälfte des Gebäudes im Keller!“

Fischer, der mittlerweile als Unternehmensberater tätig ist, fühlt sich zu Unrecht entlassen. Seine Kündigung nannte er gestern „Mist“, „Quatsch“ und „von einem geschrieben, der den Verstand verloren hat“. Ab einem bestimmten Zeitpunkt hätten die ihm übergeordnete Mannheimer Bezirkszentrale und die Deutsche- Bank-Chefs in Frankfurt besser über die desolate Situation von Schneider Bescheid gewußt als er.

Für den 24. September hat das Gericht den Deutsche-Bank-Vorstand Ulrich Weiss in den Zeugenstand geladen. Knapp eine Woche später, am 30. September, soll der ehemalige Vorstands- und derzeitige Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, in Frankfurt aussagen. Heide Platen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen