: Vom Hahn, der alle Hennen deckt
■ Joseph-Désiré Mobutu wollte den Kongo revolutionieren und eine neue Nation bauen. Sein Kartenhaus fiel zusammen
Nur „ein paar Tage“ solle er bleiben, hieß es am 23. Mai, als Mobutu Sese Seko in seinem Exil in Marokko eintraf – sterbenskrank und soeben von den AFDL- Rebellen unter Laurent-Désiré Kabila als Präsident seines Landes gestürzt. Es wurden über drei Monate, in denen der ehemalige Alleinherrscher über Zaire im Sterben lag. In der Nacht zu Dienstag war es soweit: Ein Politiker, der die neuere Geschichte Afrikas geprägt hat wie kaum ein anderer, starb ohne Freunde und offenbar auch fast ohne Geld in einem Land, in dem er nicht leben wollte. Er wollte sein Land revolutionieren – und am Schluß geschah die Revolution gegen ihn.
Seine Karriere begann und endete in einem Land im Chaos. 1930 als Joseph-Désiré Mobutu in Belgisch-Kongo geboren, wurde er Buchhalter in der Kolonialarmee, dann Journalist in Brüssel und angeblich auch Mitarbeiter des belgischen Geheimdienstes. In der ersten Regierung von Patrice Lumumba, Führer der kongolesischen Unabhängigkeitsbewegung, im Juli 1960, wurde Mobutu Verteidigungsminister und Armeechef. In dieser Funktion ließ er wenige Monate später Lumumba verhaften und umbringen und schlug dann mit Terror und Massakern die Revolten lumumbistischer Befreiungskämpfer nieder. Am 25. 11. 1965 putschte er zum letztenmal und ließ sich später die alleinige gesetzgebende Macht auf Lebenszeit übertragen.
Mobutu sah sein Land als Baustelle und sich selbst als Bauherr, der berufen war, aus dem unmündigen Völkergemisch des Kongo eine Nation zu schmieden. Diese Nation bekam einen Namen – Zaire – und eine Ideologie – „Mobutismus“ oder auch „Authentizität“. In Zaire, dem 1971 ausgerufenen neuen Staat, sollte es keinen Pluralismus geben, keine Privatwirtschaft, keine europäischen Namen oder Kleidung; statt dessen Einheitspartei mit Zwangsmitgliedschaft, Führerkult und beispielloser Wohlstandskonzentration in den Händen der herrschenden Elite, an deren Spitze Mobutu alle Fäden zog. Aus Joseph-Désiré Mobutu wurde offiziell Mobutu Sese Seko Kuku Ngbendu wa za Banga – doppelt übersetzbar als der allseits siegreiche Krieger und der alle Hennen deckende Hahn.
Mehrfach haben zairische Politiker Mobutus Doppelgesicht beschrieben: Machtmensch und Charmeur, mit einem Herrschaftsstil aus Einschüchterung und Betörung. Niemand konnte in seine Nähe kommen, ohne sich politisch, finanziell oder sexuell zu kompromittieren und selber in Angst vor Denunziation zu leben. So schien Mobutu unangreifbar.
Veränderungen kamen immer nur von außen. 1990 stand der siegreiche Hahn plötzlich nackt da, als der Ost-West-Konflikt auf afrikanischem Boden zu Ende ging und Mobutu als verläßlicher Alliierter der USA ausdiente. Der Diktator mußte die Einführung des Mehrparteiensystems zugestehen und seine Macht teilen. Seine bewährte Politik der Spaltung und Korrumpierung setzte er fort, aber sie wirkte nur noch zerstörerisch, indem sie das Entstehen einer Demokratie verhinderte, ohne den Zerfall der Diktatur aufzuhalten.
Im Laufe der 90er Jahre wurde der Staat Zaire immer mehr zur Fiktion, während Marschall Mobutu in seinem Urwaldpalast und seiner Luxusjacht als unsichtbarer Dämon über den politischen Wirren des Landes thronte. 1996 zog schließlich eine neue Rebellenbewegung mit Unterstützung der von Mobutu destabilisierten Nachbarstaaten Uganda, Ruanda und Angola in den Krieg gegen Mobutus Zaire.
Ohne ihn, sagte Mobutu einmal, wäre Zaire nichts. Er hat recht behalten – in einer Weise, von der er nicht zu träumen gewagt hätte: Zaire fiel zusammen wie ein Kartenhaus. Rebellenchef Kabila, Mobutus alter Widersacher aus den 60er Jahren, hat nun das Land wieder in Demokratische Republik Kongo zurückgetauft und auch sonst das Rad zurückgedreht. Der Neuanfang beginnt mit der Auslöschung des Mobutismus, dieser traumatischen Lebenserfahrung einer geschundenen Generation. Dominic Johnson
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