: Unappetitliche Garnitur
■ Bei der Uraufführung von American Psycho im Malersaal stellt Thirza Bruncken die Grausamkeit des Serienmörders aus der Oberklasse hintenan
Der Mann ist schön, reich, jung und fit. Er hat die richtigen Freunde und kennt die angesagten Restaurants. Und weil ihm das alles nicht reicht, bringt Patrick Bateman manchmal Leute um und ißt sie auf. Aus seinem perversen Hobby macht er kein Geheimnis, doch jeder hält ihn für einen ganz normalen Sprücheklopfer.
Aufgrund dieses Protagonisten hat Bret Easton Ellis' Roman American Psycho nach seinem Erscheinen 1991 für reichlich Wirbel gesorgt. Gewaltverherrlichung wurde ihm vorgeworfen, Pornographie und, von Norman Mailer, mangelnde literarische Qualität. Mit einigem Recht, denn das Buch ist zwar stellenweise eklig und pornographisch, über weite Strecken aber einfach langweilig. Auf 549 Seiten wird die High-End-Besessenheit der Textilien-, Fitneß- und Gourmetfetischisten im New York der 80er Jahre breitgetreten. Wegen der unappetitlichen Garnitur ist es in Deutschland auf dem Index, es darf also verkauft, aber nicht beworben werden.
Zur Uraufführung im Malersaal stellt die Regisseurin Thirza Bruncken die Grausamkeit hintenan. Für sie wirft der Stoff größere Fragen auf als eine pathologische Studie. Es geht ihr nicht um oberflächliche Schockeffekte, und der Roman hat in ihrer Interpretation nichts mit Realismus zu tun. Sie vermutet sogar, daß sämtliche Mord- und Folterorgien nur in Batemans Phantasie stattfinden.
Das seelenlose Wall-Street-Ambiente, den Kern von American Psycho, deutet Bruncken zum Paradigma um. Bateman sei ein Prototyp, sagt sie zur taz hamburg, ein repräsentativer sozialer Typus, der in allen Metropolen der reichen Länder zu finden sei. Beziehungen zwischen Menschen sind in dieser Welt nicht mehr möglich, und auch die Ersatzbefriedigung durch den Konsum entpuppt sich irgendwann als Illusion. Die Qualen der Reichen erscheinen Thirza Bruncken auch ohne Folterwerkzeuge gnadenlos, und hier trifft sie sich mit Ellis, der seinen Protagonisten selbst den Trost der geistig Armen versagt: „KEIN AUSGANG“sind die letzten Worte des Romans.
Nachdem in der letzten Spielzeit die Aufführung wegen Terminproblemen nicht zustande kam, sind im zweiten Anlauf nun Barbara Nüsse, Jörg Pose und Roland Renner zur Darstellung des Yuppie-Panoptikums aufgeboten. Erschlagen von der Unmöglichkeit, mit ihrem Geld auch nur ein winziges Stück Freiheit kaufen zu können, sollen sie auf die vergebliche Flucht vor ihren Zwängen geschickt werden. Bleibt nur zu hoffen, daß Thirza Bruncken ihre Berührungsangst gegenüber Ketchup nicht zu weit getrieben hat. Denn die Diskussion, ob American Psycho Gewalt verherrlicht oder deren Ursachen aufzeigt, entfacht nicht, wer die Brutalität ausblendet. Barbora Paluskova
Premiere: Sa., 13. September, 20 Uhr, Malersaal
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