Albright in Israel

■ US-Außenministerin kritisiert Palästinenser und schont Netanjahu

Jerusalem (taz) – US-Außenministerin Madeleine Albright ist gestern auf der ersten Station ihrer Nahostreise in Israel eingetroffen. Das Ziel ihrer Mission ist es, den nahöstlichen Friedensprozeß zu retten, der sich in der schwersten Krise seit Unterzeichnung der Oslo-Abkommen vor vier Jahren befindet. Nach ihrer Unterredung mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu am Nachmittag betonte sie, daß Arafat Maßnahmen ergreifen müsse, um „die Infrastruktur des Terrors zu zerstören“. „Der Krieg gegen den Terror muß entschieden und dauerhaft sein“, sagte sie. Dies sei die Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses. Eine Gleichsetzung der Tötung von Menschen mit dem Bau von Häusern könne es nicht geben, richtete Albright ihre Kritik an die Palästinenser.

Die israelischen Maßnahmen, die Autonomiegebiete abzuriegeln und die palästinensischen Steuergelder einzubehalten, erwähnte sie nicht. In Anspielung auf die Siedlungspolitik forderte sie Israel auf, keine einseitigen Schritte zu unternehmen, die die Abschlußverhandlungen vorwegnehmen. „Wir stehen an Ihrer Seite in dem Verlangen, daß die palästinensische Autonomiebehörde den Terror bekämpft und die Verpflichtungen, die sie eingegangen ist, auch einhält“, hatte Albright bereits am Morgen, nach einem Frühstück mit dem israelischen Präsidenten Eser Weizman, ihre Unterstützung für die israelische Regierung zum Ausdruck gebracht. Danach besuchte sie Opfer des Selbstmordanschlags vom vergangenen Freitag im Krankenhaus.

Die palästinensische Erziehungsministerin Hanan Ashrawi kritisierte die Äußerungen und Gesten Albrights: „Sie muß sich entscheiden, ob sie Israel oder den Friedensprozeß unterstützen will.“ Heute will Albright Jassir Arafat in Ramallah treffen. Danach reist die US-Außenministerin nach Syrien, Jordanien, Ägypten und Saudi- Arabien und möglicherweise in den Libanon. Georg Baltissen