Richtern Beine machen

■ Voscherau zur Jugendkriminalität: Das Neuwiedenthal-Urteil „ist falsch“

Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) hielt sich am späten Donnerstag abend vor JournalistInnen nicht lange mit diplomatischen Formulierungen auf: Daß die Jugendlichen aus Neuwiedenthal, die wegen Mitschuld am Selbstmord des Schülers Mirco S. vor Gericht standen, diese Woche nur zu Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt wurden, „das ist falsch“. Und ihm ein weiterer Beleg für die Notwendigkeit, „den Richtern mit Gesetzen Beine zu machen“.

„Die Tat allein wird als Beweis herangezogen, daß der Jugendliche retardiert ist“, kritisierte Voscherau. Doch nicht jeder Straftäter unter 21 Jahren sei in seiner Entwicklung zurückgeblieben und müsse nach dem – milderen – Jugendstrafrecht beurteilt werden. Voscherau geht es um die Abschaffung der „Regel“, daß junge Straftäter grundsätzlich als Heranwachsende behandelt werden. Zu lange schon gelte diese Forderung „in der Political-correctness-Lage als Igittigitt“, meint der Stadtchef.

Voscherau macht außerdem die überproportional hohe Zahl junger Flüchtlinge für „die Hamburger Gewaltkriminalität“mitverantwortlich. Einen Verteilungsschlüssel für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge einzuführen, sei aber bisher „auch an den SPD-Ländern verendet“. Seine Bundesratsinitiativen seien folglich stets gescheitert.

Den Vorwurf, er spiele mit seinem Law-and-order-Wahlkampf den rechten Parteien in die Hände, wies Voscherau erneut scharf zurück. Er ist überzeugt, daß die SPD keineswegs Geister gerufen habe, die sie jetzt nicht mehr kontrollieren könne. Man habe lediglich die Ängste und Stimmungen in der Bevölkerung aufgegriffen.

SPD-Landeschef Jörg Kuhbier sprach sich am Donnerstag angesichts der bedrohlichen Stärke der rechten Parteien dafür aus, „die Notbremse zu ziehen“. Dabei sollen die Medien – die die Stimmung geschürt hätten – mithelfen. Auch Voscherau glaubt, daß ein Aufruf der „gesellschaftlich relevanten Institutionen“gegen rechts helfen würde. Doch von Karin Roth (DGB) oder Maria Jepsen (Bischöfin) habe er bisher nichts gehört. Silke Mertins