: Primat der Ökonomie
■ SPD: Schröder will„mo- derne Wirtschaftspolitik“
Wenn es eines Beweises bedurft hätte, daß die Politik zunehmend dem Primat der Wirtschaft folgt, hier ist er: Gerhard Schröders Papier zur SPD- Wirtschaftspolitik. Es ist eine bunte Themenmischung, die viel enthält, nichts wirklich will, aber eines dezent transportiert: Kollektive Sicherungsmodelle sind zugunsten individueller Belastungen abzubauen. Es ist ein Mix aus ein bißchen Sozialmißbrauchsdebatte, gekoppelt mit Beschäftigungsförderung, ein bißchen Steuerentlastung, ein bißchen Öko. Die Mischung wird heutzutage als „pragmatisch“ gelobt. Der „Pragmatismus“ ist die Ideologie des möglichen SPD-Kanzlerkandidaten.
Zum „Pragmatismus“ gehört nicht die Originalität, aber immer der Themenklau. Längst hat auch die SPD solche Worte wie „Arbeitsanreize“ für Erwerbslose entdeckt. Gering bezahlte Arbeiten sollen nach Schröders Vorstellungen in Zukunft öffentlich oder vom Arbeitsamt subventioniert werden. Die öffentlichen Kassen sollen die Sozialversicherungsbeiträge für Billigjobs übernehmen, eine Subvention, die sowohl den Arbeitnehmern als auch den Arbeitgebern zugute käme. Zuschüsse zu Niedriglöhnen haben auch die Unternehmer vorgeschlagen.
Daran wäre fürs erste nichts auszusetzen, hätte der Vorschlag nicht eine häßliche zweite Seite. Auch Schröder will gegen „arbeitsunwillige Sozialhilfeempfänger“ härter vorgehen. Die Zahl der arbeitsfähigen – geschweige denn arbeitsunwilligen – Sozialhilfeempfänger ist jedoch relativ gering. So transportiert dieser Vorschlag vor allem Ressentiments. An der Arbeitslosigkeit soll künftig jeder noch ein bißchen mehr selbst schuld sein. Ohnehin will Gerhard Schröder bei den Sozialversicherungen wie Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung „stets aufs neue abwägen, was privat und was solidarisch zu lösen ist“. Es gibt keinen Grund mehr, Schröder nicht und statt dessen Kohl zu wählen: Das ist seine Strategie.
Ohne ein rituelles Versprechen kommt selbstverständlich auch Schröder nicht aus. Auch er stellt in Aussicht, die Zahl der Arbeitslosen zu „halbieren“, wenn sein Programm verwirklicht wird. Jeder weiß, daß er damit rechnet, daß die Wähler gar nicht erst glauben, daß die Politik so etwas könnte. Und das gehört zum Deal. Barbara Dribbusch
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