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■ StandbildJagdgesellschaft

„Fahndungsakte“, Mo., 22.15 Uhr, Sat.1

Wenn auf öffentlich-rechtlicher Seite derzeit bei jeder erstbesten Gelegenheit Krokodilstränen vergossen werden ob der Verrohung der Sitten, muß doch mal geflissentlich daran erinnert werden, daß namentlich Eduard Zimmermann seinerzeit auch nicht gerade zimperlich vorging bei der Inszenierung der von ihm ausgewählten Präzedenzfälle, so daß er gewissen Heranwachsenden recht häßliche Albträume bescherte. Dennoch haben sich die Zeiten unverkennbar geändert. Zimmermanns Nachfahren benötigen heute für das gleiche Fahndungspensum nur einen Bruchteil der Sendezeit von „Aktenzeichen XY... Ungelöst“, und zu Großspurigkeiten wie dem Trailer-Text „Wir kriegen Euch alle“ hätte sich der bedächtig menetekelnde Zimmermann, schnalz, schnalz, wohl kaum jemals hinreißen lassen.

Mehr noch als alles andere unterscheidet sich „Fahndungsakte“ vom Vorbild durch die Zudringlichkeit, mit der die Jagdgesellschaft Opfern und Hinterbliebenen zu Leibe rückt. Private Videos und Fotos, aufwühlende Interviews dienen schnöder Zurschaustellung und stehen jedenfalls in keinerlei Zusammenhang mit dem in gekünstelt inbrünstigem, hart die Parodie streifenden Tonfall heraustremolierten Anliegen.

„Als Profilfahnder können Sie auf die Psyche des Täters rückschließen“, unterstellte Moderator Weber dem vorgeladenen Polizeipsychologen Gallwitz, und man hätte gern mal den Fachmann zur seelischen Befindlichkeit seiner Gastgeber gehört. Einiges enthüllte unfreiwillig Webers Grimasse, die er schnitt, als er sich kurz unbeobachtet wähnte. Da zeigte sich wahrlich das häßliche Gesicht kommerzieller Quoten- und Verbrecherjagd. Harald Keller

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