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Trotz Psychose fest im Sattel

■ Das Wichernhaus, Anker für psychisch Kranke, feiert Geburtstag

Als Guido Klimczak vor zwölf Jahren seinen Job verlor, brach für ihn die Welt zusammen. Der gelernte Einzelhandelskaufmann verbarrikadierte sich in seiner Wohnung und wurde psychisch krank. „Auf einmal hatte ich totale Panikattacken, fast sowas wie eine Psychose“, erinnert er sich. Bis heute muß Guido Psychopharmaka schlucken, denn Rückfälle sind nicht ausgeschlossen.

Lange Jahre sah es so aus, als ob er keinen Boden mehr unter die Füße bekommen sollte. Vor drei Jahren aber bekam er doch noch den Dreh': Im Wichernhaus, einer Einrichtung für psychisch Kranke und Behinderte, fand er wieder einen Job. Zusammen mit anderen Menschen, die ähnliche Leidenswege hinter sich hatten, bekam Guido die Chance zur beruflichen Reintegration und damit zur Restauration seines Selbstwertgefühles.

Gestern feierte das Wichernhaus einen runden Geburtstag und veranstaltete einen Tag der offenen Tür. In einem schönen Bremer Haus Am Dobben 112, zwischen Oster- und Steintor, ist die Einrichtung vor zehn Jahren untergekommen. Mehr als fünfzig psychisch kranke und behinderte Menschen stehen hier in Lohn und Brot.

Das Cafe im Erdgeschoß ist zu einem Treffpunkt für Menschen aus dem Stadtteil geworden, die wegen ihrer psychischen Probleme durch viele soziale Raster fallen. Vierzig bis achzig Besucher werden hier tagtäglich mit Kaffee und Kuchen, Frühstück und Mittagessen versorgt. Manche kommen nur zum Essen, andere bleiben den ganzen Tag. Die Angestellten des Cafes: Fast alle selber psychisch Kranke und Behinderte.

Im Keller wurde eine Großküche aufgebaut, die nahe Kindertagesstätten beliefert, Partyservice übernimmt und das Essen fürs Cafe kocht. Und im Obergeschoß werden 22 Menschen im supermodernen EDV-Zentrum beschäftigt. Im dazugehörigen Mikrofilm-Service, der für Firmen wie Eduscho oder Radio Bremen arbeitet, hat jetzt auch Guido eine feste Stelle bekommen.

Wilfried Hautop ist Vertreter der „Werkstatt Bremen“, einer der drei Träger des Hauses. Für ihn ist das Wichernhaus immer noch „einmalig in Deutschland“. Die Grundidee, kleine, überschaubare Betreuungszentren einzurichten, habe sich bewährt.

Hilfesuchende Menschen fühlen sich in der Einrichtung mit fast privater Atmosphäre viel schneller aufgehoben. Und eine Karriere innerhalb des vertrauten Hauses ist möglich - vom Cafebesucher zum Koch zum Microfilmarchivar, wie in Guidos Fall.

Daß so viele Menschen aus dem Stadtteil das Betreuungsangebot in Anspruch nehmen würden, hätte wohl keiner der drei Träger gedacht. Und auch an der friedlichen Koexistenz der Träger unter einem Dach wurde lange gezweifelt - die Konkurrenz um öffentliche Töpfe sei zu hart, dachte man.

Die Zeit belehrte die Kritiker eines Besseren: „Das Wichernhaus kann sich heute sehen lassen“, sagt Wilfried Hautop überzeugt.

Christoph Dowe

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