: Bundesländer wollen das Atomgesetz stoppen
■ Mehrheit im Bundesrat hält die Atomrechtsnovelle für zustimmungspflichtig. Niedersachsens Umweltministerin sieht Eingriff in die Planungskompetenzen
Hannover (taz) – Im Bundesrat will eine Mehrheit aus SPD und rot-grün regierten Ländern am Freitag ernsthaft Front machen gegen die Atomrechtsänderung, mit der die Bonner Koalition eine Enteignungklausel für den Gorlebener Salzstock und die Betriebszeitverlängerung des Endlagers Morsleben durchsetzen will.
Nach Angaben der niedersächsischen Umweltministerin Monika Griefahn wird eine Mehrheit aus SPD- und rot-grün regierten Ländern den Gesetzentwurf der Bundesregierung diesmal nicht nur ablehnen, sondern auch ausdrücklich feststellen, daß die vom Bundestag bereits abgesegnete Atomrechtsänderung der Zustimmung des Länderparlamentes bedarf. Der Umweltausschuß des Bundesrates sei zu der Auffassung gekommen, daß durch die Änderung den Ländern sowohl Aufgaben, etwa bei der Planfeststellung von Endlagern, genommen als auch neue zugeteilt würden. Aufgrund dieses Eingriffs in die Länderrechte bedürfe das Gesetz der Zustimmung des Bundesrates, so Griefahn.
Bundesumweltministerin Angela Merkel und die Bonner Regierungskoalition haben die vom Bundestag bereits beschlossene Atomrechtsnovelle bisher keineswegs für zustimmungspflichtig gehalten. Falls der Bundestag nach der Ablehnung des Bundesrates in einer weiteren Abstimmung auf dieser Position beharrt, würde es auf die Entscheidung des Bundespräsidenten ankommen. Dieser kann entweder selbst die Zustimmungspflichtigkeit des Gesetzes juristisch prüfen lassen oder den Ausgang einer Verfassungsklage abwarten, die Niedersachsen gegen eine vorhergehende Atomrechtsnovelle angestrengt hatte.
Bei der Atomrechtsänderung des Jahres 1994, mit der unter anderem die Zwischenlagerung als Entsorgungsnachweis anerkannt wurde, war noch der Bundesrat selbst von einem nicht zustimmungspflichtigen Gesetz ausgegangen. Niedersachsen hatte daraufhin allerdings in Karlsruhe geklagt, um die Zustimmungspflichtigkeit feststellen zu lassen.
Landesumweltministerin Monika Griefahn hält die jetzt im Bundesrat zur Abstimmung stehende Atomrechtsänderung auch für „fachlich unausgewogen, weitgehend entbehrlich und verfassungspolitisch problematisch“.
Verfassungsrechtliche Bedenken macht die SPD-Mehrheit in der Länderkammer unter anderem gegen eine Gesetzespassage geltend, die für Nachrüstungen von AKW künftig nicht mehr den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zum sicherheitstechnischen Maßstab machen will. Die in Merkels Entwurf ebenfalls enthaltene Betriebszeitverlängerung des Endlagers Morsleben um zehn Jahre widerspricht nach Ansicht des Umweltausschusses des Bundesrates dem deutsch-deutschen Einigungsvertrag. Jürgen Voges
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