: Global denken, gegen Schröder argumentieren
■ Wolfgang Thierse zweifelt, ob Globalisierung alle wirtschaftlichen Probleme löst
Bonn (taz) – Ein gern gewähltes Thema (auch der taz) heißt: Lafontaine gegen Schröder. Die SPD- Linken des Frankfurter Kreises gegen Schröder. Und nun auch Wolfgang Thierse gegen Schröder? Das jedenfalls behauptet der Spiegel in bezug auf das Memorandum „Globalisierung – Herausforderung und Chance“, das heute offiziell vorgestellt wird.
Die Hauptautoren, der stellvertretende Parteivorsitzende Wolfgang Thierse und der Wissenschaftler Ernst-Ulrich von Weizsäcker, plädieren dafür, den Prozeß der Globalisierung aktiv durch die Politik zu gestalten. Steht das im Gegensatz zum Leitantrag „Innovation für Deutschland“ des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder, der auf Wachstum und Flexibilisierung setzt? Schröder selbst bezeichnete es als seinen wichtigsten Erfolg, daß sich der Leitantrag erstmals derart deutlich für mehr Wachstum einsetze. Das Thierse-Papier wirkt dagegen nachdenklich und ausgewogen. Globalisierung biete einerseits neue Absatzchancen, andererseits rüttele sie „an den Grundfesten der Demokratie“. Mehr denn je bedrohten wirtschaftliche Prozesse die demokratisch legitimierten Entscheidungen. Wettbewerb sei Kostenkonkurrenz. Er habe daher die Tendenz, den Markterfolg von niedrigen Löhnen und geringem Umweltschutz abhängig zu machen.
Die Autoren fordern daher eine Internationalisierung von Sozial- und Umweltpoltitik, wie sie auch SPD-Parteichef Oskar Lafontaine predigt. Als probates Mittel gegen spekulative Finanztransfers über die Grenzen hinweg sehen die Autoren eine internationale Spekulationssteuer an.
Pragmatiker Schröder schreibt dagegen skeptisch in seinen zwölf Thesen: „Internationale Ansätze sind zwar begrüßenswert, scheitern jedoch häufig an nationalen Egoismen.“ Ein Gegensatz? Schröder betont andererseits: „Die Menschen bei uns lehnen den Irrweg der konservativen Ideologien ab, also dem Anpassungszwang einer globalisierten Ökonomie durch Abbau der Arbeits- und der sozialen Beziehungen zu genügen.“ Also doch Einigkeit?
Unterschiedliche Ansichten werden bezüglich einer Ökosteuer deutlich. Thierse und Co. versprechen sich davon eine „Innovationslawine“. Schröder drückt sich vor einem Bekenntnis zur Ökosteuer. Dafür gibt es Einigkeit in Punkten aus Schröders Revier: Subventionen und die Höhe der Arbeitskosten stehen auch im Globalisierungs-Memorandum auf dem Prüfstand.
Thierse wehrt den Eindruck ab, daß es Widersprüche gibt, räumt aber ein: „Der Tenor ist gewiß ein anderer.“ Während Schröder ohne nennenswerte Einschränkungen von Modernisierung, mehr Effizienz, Mut zu Veränderungen spricht, betont das Thierse-Memorandum die Gefahren von ungebremsten Wachstum. Notwendige Ergänzung statt Widerspruch? Markus Franz
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