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Visuelle Psychologie

■ "Down under": Australische Filme beim Filmfest

Irgendwie träumen dann doch alle von Amerika, selbst in Australien. Ralph (Matt Day) trägt einen ulkigen Stetson-Hut, spielt Country-Songs auf der Wandergitarre, und sein größter Wunsch ist es, einmal in Nashvilles altehrwürdiger Grand Ole Opry aufzutreten. Also trampt er von der elterlichen Farm irgendwo im Nirgendwo zum nächsten Flugplatz. Ein dubioses Pärchen nimmt ihn mit, und daß die Frau ausgerechnet den Vornamen der wunderbaren Country-Sängerin Patsy Cline trägt, muß wohl Schicksal sein. Weshalb sich Matt dann auch nicht wirklich wundert, als er später wegen Autodiebstahl eingelocht wird. Und außerdem: Johnny Cash saß schließlich auch.

Doing Time For Patsy Cline von Chris Kennedy ist eine Parabel über Traum und Wirklichkeit. Ein bißchen Road Movie, ein bißchen Komödie. Wer will, darf in den absurden Verstrickungen auch eine Analogie auf den australischen Filmbetrieb lesen, wo Regisseure von Amerika träumen, um sich später in Hollywood linken zu lassen. Auch der vielbeschworene Aufschwung des Kinos von down under hat daran kaum etwas geändert. Doing Time For Patsy Cline ist eine Country-Ballade mit doppeltem Boden, die Klischees nur produziert, um sie liebevoll zu brechen.

Ganz anders Idiot Box von David Caesar: Der Film versammelt noch einmal all die Typen, die uns seit den frühen Filmen von Richard Linklater so ans Herz gewachsen sind: sympathische Hänger, die biertrinkend vor der Glotze hocken. Doch im Gegensatz zum amerikanischen Slacker-Chronisten Linklater wedelt Caesar mächtig mit dem Zeigefinger. Laute Rockmusik ist bei ihm immer noch das Warnzeichen für Frustration, Fernsehen der Untergang jeglicher Kultur, und überhaupt spult der Regisseur – technisch brillant, zugegeben – Stereotypen über Jugendliche ab, als arbeite er an einer Studie über die längst tot geglaubte „Generation X“.

Subtiler macht sich Samantha Lang an die Arbeit. Kategorien wie Jugend oder Alter spielen für die 29jährige nur untergeordnete Rollen, denn Sehnsucht oder Angst ist schließlich keine Frage der Lebensjahre. Ihr Regie-Debüt The Well, in dem sich aus der Freundschaft zweier unterschiedlicher Frauen ein Psychodrama entspinnt, erinnert an die Werke von Joseph Losey. Sinnfällig werden die Figuren im Raum positioniert, Psychologie funktioniert hier konsequent visuell. Die weite Landschaft ist in diesem kunstvoll kolorierten Seelen-Drama ein flächiges Grau, vor dem sich die wenigen Farbtupfer wie seltene Glücksmomente ausnehmen. Australien bietet dem poetischen Kino eine hervorragende Kulisse – prächtig und preisgünstig.

Christian Buß

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