piwik no script img

Die Frau als Saatfeld des Mannes

■ Ist der Islam ein Gefängnis für Frauen oder ist er die Befreiung ? Kerstin Schneider sprach darüber mit Fatima Özoguz, früher Elke Schmidt, die im Alter von 19 Jahren vom Christentum zum Islam übergetreten ist

Als Elke Schmidt zum Islam übertrat und ihren Namen in Fatima änderte, war sie 19 Jahre alt. Für ihre Eltern, ihr Vater war Bürgermeister in einem kleinen Ort bei Wuppertal, war das ein Schock. Doch Fatima alias Elke Schmidt hielt an ihrem Glauben fest. Ein Jahr nach ihrem Übertritt zum Islam heiratete sie einen türkischen Moslem. Heute lebt Fatima Özoguz (32) mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Delmenhorst. Wir sprachen mit ihr über die Rolle der Frau im Islam.

Fau Özoguz, wie sind Sie zum Islam gekommen?

Ich habe als Teenager nach dem Sinn des Lebens gesucht. Daß es einen Gott gibt, war mir immer klar. Also habe ich verschiedene Religionen studiert. Mit den Dogmen des Christentums bin ich aber nicht zurechtgekommen. Daß Jesus für unsere Sünden gestorben sein soll, konnte ich zum Beispiel nicht glauben. Der Koran schien mir dagegen in sich logischer.

Sie waren damals noch sehr jung und haben zu Hause gelebt. Wie haben Ihre Eltern reagiert?

Meine Eltern waren entsetzt, weil sie ein völlig falsches Islam-Bild hatten. Sie konnten nicht fassen, daß ein Mädchen, das in dieser Gesellschaft aufgewachsen ist, so einen Weg einschlägt. Meine Mutter hatte die Vorstellung, daß der Islam ein Gefängnis für Frauen ist.

Ist er das nicht?

Nein. Auf keinen Fall. Im Gegenteil. Die Frau kann zum Beispiel – entgegen anderslautenden Informationen – ihren Ehemann wählen, berufstätig sein. Und das Lernen ist im Islam sowieso für Männer und Frauen Pflicht.

In der vierten Sure steht aber: „Männer sollen vor Frauen bevorzugt (weil für sie verantwortlich) werden. Rechtschaffene Frauen sollen gehorsam, treu und verschwiegen sein, auf daß auch Allah sie beschütze. Denjenigen Frauen aber, von denen ihr fürchtet, daß sie durch ihr Betragen euch erzürnen, gebt Verweise, enthaltet euch ihrer, sperrt sie in ihre Gemächer und züchtigt sie. Gehorchen sie euch aber, so sucht keinen Grund ihnen zu zürnen.“

Ist das kein Gefängnis?

Wenn man das so liest, könnte es mißverständlich gedeutet werden. Dieser Vers: „Und schlagt sie“bezieht sich nur auf ganz bestimmte Fälle, in denen die Frau Ermahnungen nicht mehr zugänglich ist und sich auf einen falschen Weg begibt.

Was sind das für Fälle?

Wenn die Frau fremdgeht, zum Beispiel.

Dann darf der Mann sie züchtigen?

Die islamische Ehe basiert auf Liebe und Zärtlichkeit. Im Koran heißt es: „Allah hat Zuneigung und Zärtlichkeit zwischen Euch gesetzt“. Das Züchtigen ist das allerletzte Mittel.

Der erste Schritt ist, daß der Mann die Frau ermahnt – auf allerschönste Weise. Danach werden die Betten getrennt. Und wenn sie dann immer noch nicht einsichtig ist, darf er sie züchtigen.

Das darf aber nicht schmerzhaft sein. Es ist verboten, ins Gesicht zu schlagen oder auf empfindliche Körperteile. Tut der Mann es doch, muß er sogar Schmerzensgeld zahlen.

Wenn eine Frau richtige Mißhandlungen erleidet, kann sie zu einem islamischen Richter gehen und gegen ihren Mann klagen.

Körperverletzung ist im Islam grundsätzlich verboten. Der Mann soll immer auf die allerfreundlichste Art mit ihr umgehen.

Aber wenn das nichts fruchtet, darf er sie schlagen. Außerdem darf er laut Koran Geschlechtsverkehr mit seiner Frau haben, wann immer er es will.

Das stimmt. Aber es darf nicht mit Gewalt geschehen und auch nicht, wenn die Frau krank ist oder sich nicht wohlfühlt.

Das verdeutlicht auch folgender Vers: „Eure Frauen sind ein Saatfeld für euch. Darum kommt zu eurem Saatfeld, wann ihr wollt. Doch schickt Gutes für euch voraus.“Der Prophet wurde daraufhin gefragt, was bedeutet „gutes für euch vorausschicken“. Er antwortete: „zärtliche Worte und Küsse.“

Ist das denn keine Gewalt, allzeit bereit sein zu müssen?

Wir moslemische Frauen sehen das nicht als Gewalt an. Vergewaltigung in der Ehe, wie sie in Deutschland diskutiert wird, hat im Islam keinen Platz.

Ist das keine Vergewaltigung, wenn die Frau immer bereit sein muß und noch nicht einmal die Zahl ihrer Kinder bestimmen kann?

Das geht daraus nicht hervor. Verhütung ist im Islam erlaubt.

Das steht aber nicht im Koran.

Das sagen aber alle islamischen Gelehrten. Außerdem, warum sollte eine Frau mit einem Mann verheiratet sein wollen, zu dem sie gar keine Beziehung mehr hat. Sie hat ihn sich ja schließlich ausgesucht.

Und was ist mit den türkischen Mädchen, die in ihre Heimat verschleppt und verheiratet oder sogar umgebracht werden?

Zwangsheirat läßt der Koran nicht zu. Ich will mit Ihnen aber nicht solche Einzelfälle diskutieren. Ich kann nichts dafür, wenn die Leute nicht genug über ihren Glauben wissen und nach der Tradition handeln.

Aber das islamische Recht verbietet der Frau die Scheidung.

In ganz bestimmten Fällen kann sich die Frau scheiden lassen. Außerdem wird ein Mann auch nicht mehr mit einer Frau verheiratet sein wollen, die keine Beziehung mehr zu ihm haben will.

An anderer Stelle im Koran heißt es: „Wenn Eure Frauen sich durch Ehebruch vergehen und vier Zeugen aus eurer Mitte bezeugen dies, dann kerkert sie in eurem Hause ein, bis der Tod sie befreit oder Allah ihr sonst einen Befreiungsweg weist. Wenn zwei Männer unter sich durch Unzucht sich vergehen, so strafet beide; wenn sie aber bereuen und sich bessern, dann lasset von ihnen ab, denn Allah ist versöhnend und barmherziger.“

Offenbar fällt es Allah leichter, Männern zu verzeihen. Ist das keine Bevorzugung?

Ehebruch ist eine Sache, die hinter verschlossenen Türen geschieht. Es ist nahezu unmöglich, vier Zeugen dafür zu finden.

Und was ist, wenn die Zeugen die Frau verleumden?

Verleumdung, vor allem in dieser Form, ist eine der schlimmsten Straftatbestände überhaupt. Im Koran heißt es: „Diejenigen, die gläubigen, ehrbaren Frauen Unzucht vorwerfen, sind im Diesseits und im Jenseits verflucht.“

Außerdem hat eine Frau immer noch die Möglichkeit zu behaupten, der Mann habe sie vergewaltigt. Dann wird in jedem Fall, ob es stimmt oder nicht, der Mann bestraft.

Und was ist mit jenen Frauen, die wegen angeblicher Untreue zu Tode gesteinigt wurden? Warum werden Mädchen von ihren Vätern und Brüdern nach einer Vergewaltigung umgebracht?

Man kann nicht von der Praxis einzelner Muslime auf das islamische Recht schließen. Es gibt viele Fehlinterpretationen.

Sie sprechen zum Beispiel immer vor Bevorzugung. Wenn es in der Übersetzung des Korans heißt: „Männer sollen vor Frauen bevorzugt werden“, ist das keine korrekte Übersetzung. Das arabische Wort dafür lautet qawwamun, und das heißt soviel wie verantwortlich.

Auf diese Weise kommt es zu vielen Mißverständnissen. Ein Mann muß für seine Ehefrau finanziell aufkommen. Es darf keine Frau aus materiellen Gründen gezwungen werden, arbeiten gehen zu müssen. Sie darf aber arbeiten, wenn sie es wünscht. Das ist doch ein Vorteil.

Aber, der Koran verbietet den Frauen, Richterin zu werden.

Eine Frau hat die Gabe bekommen, durch ihre Fähigkeit auf Menschen einzugehen. Die Frau kann beispielsweise Kinder besser erziehen als ein Mann es kann. Dabei kommt ihr die emotionale Begabung zu Gute.

Das kann gerade für das Richteramt von Vorteil sein.

Daß eine Frau nicht Richterin werden kann, sehen wir nicht als Verbot an. Es ist ein Schutz vor der hohen Belastung, die dieser Beruf mit sich bringt.

In diesem Beruf entscheidet man über menschliche Schicksale. Unter Umständen muß die Frau nach islamischem Recht eventuell die Todesstrafe aussprechen. Wir sehen den Richterberuf als Belastung und nicht als Bevorzugung an.

Alle anderen Berufe kann die Frau ausüben, und wenn eine Frau eigenes Einkommen hat, darf sie es behalten. Der Mann hat keinen Zugriff auf ihr Vermögen.

Aber „männliche Erben sollen so viel haben als zwei weibliche“, steht im Koran.

Das ist doch nachvollziehbar. Die Männer müssen ja auch für die Frauen sorgen.

Warum dürfen Männer vier Frauen haben, Frauen aber nur einen Mann?

Das war für die Kriegszeiten gedacht, damit nicht soviele Witwen alleine sind. Außerdem müssen für die Vielehe bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Ein Mann muß finanziell dazu in der Lage und absolut gerecht sein.

Die Schriftstellerin Taslima Nasrin hat gesagt, der Koran mache die Frau zur Sklavin des Mannes. Fanatische Moslems haben sie unter anderem deshalb zum Tode verurteilt und ein Kopfgeld ausgesetzt.

Es gibt einen Unterschied zwischen einfacher Meinungsäußerung und der Beleidigung heiliger Werte.

Taslima Nasrin hat falsche Dinge über den Islam behauptet, da kann man schon verstehen, daß die Leute wütend werden.

Das ist aber keine Rechtfertigung für ein Kopfgeld. Kopfgeld ist auch im islamischen Recht nicht verankert.

Aber der Koran sagt: „Euch ist vorgeschrieben, gegen die Ungläubigen zu kämpfen, obwohl es euch zuwider ist. Aber vielleicht ist euch etwas zuwider, während es gut für euch ist.“Viele Islamisten sehen darin die Rechtfertigung zum Töten.

Islam bedeutet Frieden. Einem Moslem ist nur die Verteidigung erlaubt. Der Islam betrachtet grundsätzlich alle Anhänger einer Buchreligion als Gläubige. Sie sind keine Feinde: „Jene die geglaubt haben, und die Juden und die Sabäer und die Christen, wer an Allah glaubt und gute Werke tut, keine Frucht soll über sie kommen, noch sollen sie traurig sein“, heißt es im Koran.

Und was ist mit den Atheisten?

Auch wenn sie nicht als Gläubige betrachtet werden, dürfen sie nur im Verteidigungsfall bekämpft werden.

Im Koran steht aber: „Für den, der Allah irre führt, findest Du nie den rechten Weg. Sie wünschen, daß ihr Ungläubige werdet, so wie sie Ungläubige sind, und ebensolche Bösewichte wie sie. Schließt daher kein Freundschaftsbündnis mit ihnen, als bis sie für die Religion Allahs auswandern (Allahs Weg einschlagen). Weichen Sie aber ab, so ergreift und tötet sie, wo ihr sie auch finden möget, und nehmt keine Freundschaft und Unterstüzung von ihnen an.“

Ist das keine Aufforderung zum kämpfen und eine Rechtfertigung fürs Kopfgeld?

Nein. Das bezieht sich nur auf die Verteidigungssituation im Krieg. Das ist eine der Fehlinterpretationen. Man muß bei all diesen Versen auch den historischen Hintergrund berücksichtigen. Wenn man einen Vers allein zitiert, klingt er mißverständlich.

Dann lassen Sie uns den Koran jetzt zuschlagen und über Rituale reden. Ein Ritual, das unterschiedlich interpretiert wird, ist die Beschneidung von Frauen.

Der Brauch geht zurück auf eine vorislamische Tradition der pharaonischen Zeit. In Ägypten wurde die Beschneidung auch von den Christen praktiziert.

Der ägyptische Scheich Jussuf el-Badri sagt aber, daß die Beschneidung von Frauen zum gesunden, islamischen Empfinden gehört.

Mit diesem Argument hat er erreicht, daß das Verbot, Mädchen in öffentlichen Krankenhäusern Ägyptens zu beschneiden, wieder aufgehoben wurde.

Wie sehen Sie das als Moslemin?

Als Moslemin lehne ich diese Sitte ab. Das ist eine vorislamische Tradition, die im Islam aber nicht verankert ist.

Trotzdem wird sie praktiziert.

Sie wird nur in Gebieten praktiziert, wo sie schon seit Jahrtausenden traditionell verhaftet ist. Außerdem kommen immer mehr Muslime dahin, sich von dieser traditionellen Sitte loszusagen.

Verraten Sie uns zum Schluß, wie sich Ihr Leben als Moslemin verändert hat. Was ist der größte Unterschied zu Ihrem Leben als Christin?

Ich werde aufgrund meiner islamischen Kleidung, das heißt, Kopftuch und nicht körperbetonte Kleidung, nicht mehr als weibliches Wesen in der Öffentlichkeit gesehen, sondern als Mensch.

Es wird mehr darauf gehört, was ich sage, und es wird nicht darauf geachtet, wie ich aussehe. Früher war das so, und das ist der größte Unterschied.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen