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Der „Lebensraum“ ist stets nur der des Menschen

■ Nach dem Willen des „Bundesverbandes Nationalparkbetroffener“ sollen „Arbeitsplätze im Tourismus“ und traditioneller Landschaftsschutz Vorrang vor Nationalparkprojekten haben

„Nationalparkbetroffene, keinesfalls Nationalparkgegner“ nennen sich die etwa 40 Delegierten von Vereinen und Bürgerinitiativen aus elf Nationalparkregionen, die gestern in Zingst zur Verbandsgründung schritten. Gemäßigt in der Wortwahl kommt auch die Satzung des „Bundesverbandes der Nationalparkbetroffenen e. V.“ daher, die auf der Tagesordnung stand: eine „praktikable Lösung in Konfliktlagen zwischen Natur- und Landschaftsschutz auf der einen Seite und Verkehr, Tourismus, Sport, Naherholung, Brauchtum und Wirtschaft auf der anderen Seite“ strebt der Verband demnach an. „Gemeinnütziger“ Zweck des Verbandes sei „die Erhaltung und Entwicklung des Lebensraumes der durch Nationalparks betroffenen Regionen“.

Mit „Lebensraum“ ist allerdings stets nur der des Menschen gemeint. Dies zeigen die „Grundsätze zur Ausweisung von Nationalparks in Deutschland“, auf die sich die „Nationalparkbetroffenen“ auf ihrem ersten Bundestreffen schon „anläßlich des Gründungsbeschlusses eines Bundesverbandes“ festgelegt hatten. „Planungshoheit, Entwicklungsmöglichkeit und wirtschaftliche Anpassung“ von Gemeinden oder Einrichtungen der privaten Wirtschaft dürften durch Nationalparkausweisungen „nicht eingeschränkt oder erschwert werden“, heißt es da. „Verkehrs- und Infrastruktureinrichtungen“, „Arbeitsplätze im Tourismus, in Forst-, Land- und Fischereiwirtschaft“, „traditionelle Schutzmaßnahmen von Küsten und Landschaften“ – all das soll stets Vorrang vor Nationalparkprojekten haben. Folglich wollen die Verbandsgründer in ihren Augen zu Unrecht zum Nationalpark erhobene Gebiete in Naturparks umbenannt sehen.

Dieses Programm findet in der parteipolitischen Ausrichtung vieler „Betroffener“ seine Entsprechung. Hauptorganisator der Verbandsgründung ist der Forstwissenschaftler Hubertus Köhler, der als stellvertretender Bürgermeister des Städtchens Altenau eine Normenkontrollklage der Kommune gegen den niedersächsischen Nationalpark Harz angeschoben hat. Ein CDU-Kommunalpolitiker vertrat in Zingst auch die Kritiker des niedersächsischen Nationalparks Wattenmeer. Auch im Landkreis Lüchow-Dannenberg, wo selbst im Sommer im Gorleben- Widerstand aktive Bauern diesmal gegen den Nationalpark die Straße blockierten, ist die Kritik am Nationalpark Elbtalaue das Thema der kommunalen CDU.

Repräsentieren soll der neue Bundesverband nach den Vorstellungen Köhlers „mehrere zehntausend Mitglieder“. Die Vereine der Nationalparkkritiker oder -gegner, die sich in den vergangenen Jahren in der Umgebung von elf Schutzgebieten gebildet haben, bringen allein diese erhoffte Mitgliederzahl nicht auf die Beine. Die Verbandsgründer wollen daher, daß auch regionale Ableger von Verbänden etwa der Gewerbetreibenden, der Angler oder auch der Forstwirtschaft der neuen Betroffenenorganisation beitreten und so für die nötige Mitgliederstärke sorgen. Jürgen Voges

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