: Deutsche! Stecht deutschen Spargel!
■ Das Bundesarbeitsministerium will die Zahl ausländischer Saisonarbeiter verringern, um mehr Deutsche an die Spargel- und Kartoffelfront zu bringen. Arbeitsverbot für Asylsuchende geplant. Grüne gegen „Sündenbocktheorie“
Berlin (taz) – Darf's Spargelstechen sein? Oder doch lieber Kartoffeln auflesen? Geht es nach dem Willen von Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU), müssen sich die Bundesbürger in Zukunft auf etwas gefaßt machen: Muskelkater. Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa stehen dann für harte körperliche Arbeiten nicht mehr zur Verfügung. Ein neuer Maßnahmenkatalog des Arbeitsministeriums sieht vor, die Beschäftigung von Nicht-EU- Ausländern drastisch zu erschweren. Besonders die Zahl der ausländischen Saisonarbeiter soll schrittweise abgesenkt werden. Der Sprecher des Arbeitsministeriums bestätigte der taz, daß es in der Koalition „Gespräche darüber gebe, wie die Saisonarbeit angesichts hoher Arbeitslosigkeit eingedämmt werden könne“.
Da scheinen die Politiker an ihrer eigenen Klientel vorbeizudenken. Wiederholt haben Vertreter der Bauernverbände betont, daß die deutsche Landwirtschaft auf die Hilfe von Saisonarbeitskräften angewiesen sei. Ohne die ausländischen Billiglohnkräfte seien Bauern nicht mehr konkurrenzfähig. Zur Arbeit zwangsverpflichtete Sozialhilfeempfänger hatten in der Vergangenheit ihre Tätigkeit auf den Feldern häufig verweigert.
Den sozialpolitischen Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, zitiert die Bild am Sonntag mit den Worten: „Der Konjunkturaufschwung geht restlos am Arbeitsmarkt vorbei, weil jährlich bis zu 250.000 Ausländer den Arbeitsmarkt in Deutschland belasten.“ Diesen Zustrom wolle die Koalition „rigoros“ eindämmen.
Zu diesen Maßnahmen gehört auch, den angeblichen Mißbrauch von Besuchsvisa einzuschränken. So sollen schärfere Kontrollen für all diejenigen eingeführt werden, die ein dreimonatiges Besuchsvisum für Deutschland beantragen. Wer Freunden oder Verwandten mit gefälschten Unterlagen eine solche Besuchserlaubnis verschafft, soll in einer Datenbank erfaßt werden. Zudem ist die Einführung fälschungssicherer Einladungsformulare geplant. „Jahr für Jahr“, so Julius Louven, „besuchen Hunderttausende aus Rußland, der Ukraine, Rumänien und Litauen unser Land. Viele nutzen die Zeit, um in Deutschland illegal zu arbeiten.“ Dem müsse ein Riegel vorgeschoben werden, so der sozialpolitische Sprecher der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion.
In dem Blüm-Papier ist ferner ein striktes Arbeitsverbot für Asylbewerber vorgesehen. Außerdem soll das Bußgeld für Unternehmer, die ausländischen Beschäftigten den gesetzlich festgelegten Mindestlohn nicht zahlen, in Zukunft auf bis zu 500.000 Mark erhöht werden. Bisher waren es maximal 100.000 Mark. Das Blüm- Papier soll angeblich schon in dieser Woche mit den Sozialpolitikern der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion abgestimmt werden.
Als „überhaupt nicht überraschend“, wertete die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Marieluise Beck, den Vorstoß. „Insbesondere in Kreisen der CSU wird das Thema ,Ausländer nehmen Deutschen Arbeitsplätze weg‘ in gefährlicher Weise gepuscht“, sagte sie gegenüber der taz. Als „Spiel mit dem Feuer“ bezeichnete die Bundestagsabgeordnete die Pläne des Arbeitsministeriums. Mit dieser Art von „Sündenbock- Theorien“ hätten die Deutschen ausreichend schlechte Erfahrungen gemacht, warnte Beck mit Blick auf die NS-Vergangenheit. Die Bekämpfung von illegaler Beschäftigung – beispielsweise auf dem Bau – sei unstrittig, räumte die Bündnisgrüne ein. Sie müsse jedoch bei den „Tätern“ ansetzen. „Und das“, so Beck, „sind die Unternehmen.“ Uta Andresen
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