Späte Offensive gegen Lehrstellennot

■ Bremer Senat will 356 Ausbildungsplätze in Berufsschulen anbieten / Ausbilder sollen als ABM-Kräfte angeheuert werden / Praktikumsmodell der Bildungsbehörde ist geplatzt

Der Bremer Senat will der drohenden Lehrstellennot nun doch mit einem Angebot an vollschulischen Ausbildungsplätzen begegnen. Geplant sei, für angehende Bürokaufleute, Technische Zeichner, Informatikassistenten und in anderen Büroberufen in Bremen 356 und in Bremerhaven 72 Lehrstellen in Berufsfachschulen zu schaffen, bestätigte die Sprecherin der Bildungsbehörde, Erika Hux hold. Experten rechnen für das land Bremen mit mehreren Hundert fehlenden Ausbildungsplätzen.

Finanziert werden soll das auf ein Volumen von neun Millionen Mark geschätzte Berufsausbildungsprogramm aus drei Töpfen: Die Bildungsbehörde stellt aus ihrem Überhang Räume und Berufsschullehrer zur Verfügung. Diese Kapazitäten seien frei, weil weniger normale Ausbildungsplätze geschaffen worden seien als kalkuliert, sagte Huxhold. Das ursprünglich von der Behörde favorisierte Konzept „Berufsfachschule mit Praktikum“(BFSP), mit dem 540 Jugendliche zum Teil in Berufsschulen und zum Teil in Betriebspraktika unterwiesen werden sollten, wird massiv eingedämpft.

Das Arbeitsamt bezahlt aus ABM-Mitteln die benötigten Lehrmeister und die Senatsressorts für Arbeit und für Wirtschaft teilen sich den Landesanteil für diese ABM-Kräfte in Höhe von 1,8 Millionen Mark.

Unter den beteiligten Ressorts laufe zur Zeit die Feinabstimmung, sagte Arbeitsstaatsrat Arnold Knigge. Das Paket soll am 14. Oktober vom Senat beschlossen werden. Bis dahin wird feststehen, wieviele Schulabgänger in diesem Jahr in Bremen keinen Ausbildungsplatz in einem Betrieb gefunden haben. Ein Sprecher des Arbeitsamtes Bremen sagte auf Anfrage, daß das Arbeitsamt grundsätzlich bereit sei, das Programm mitzutragen. Die abschließende Bewilligung über die ABM-Stellen für die benötigten Lehrmeister müsse aber der ABM-Ausschuß noch treffen.

Hintergrund der neuen Initiative für vollschulische Berufsausbildung sind offenbar massive Schwierigkeiten der Bildungsbehörde, für ihr umstrittenes Praktikumsmodell Praktikumsplätze zu finden. Wie berichtet, hatten sich viele Betriebe außerstande gesehen, kurzfristig neue Kapazitäten bereitzustellen. Horst Meyer, Geschäftsführer der Handelskammer Bremen, äußerte sich erleichtert: „Das Praktikumsmodell wäre ja auch gegen das duale System der Berufsausbildung gegangen“. Meyer bezieht sich auf Bedenken, die auch viele Ausbilder aus den Kammern teilen: Die Betriebe hätten es attraktiv finden können, für einfache Arbeiten kostenlose Praktikanten einspannen zu können und dafür auf Ausbildung zu verzichten.

Opfer der neuen Initiative für vollschulische Ausbildung sind aber 38 Jugendliche aus Bremen und Bremerhaven, die ihre Lehrstelle bereits sicher wähnten. In Erwartung des größeren Wurfs wurde die Entscheidung über den Finanzierungsanteil des Landes für ihre Ausbildung bei der letzten Sitzung der Arbeitsdeputation von der Tagesordnung gestrichen. „Wir mußten den Teilnehmern absagen“, sagt Hans-Werner Steinhaus, Geschäftsführer der Wirtschafts- und Sozialakademie der Angestelltenkammer, bei der am 1. Oktober 20 angehende Groß- und Außenhandelskaufleute beginnen sollten. Ob die Betroffenen jetzt in dem neuen Programm eine Chance bekommen, wußte Steinhaus noch nicht zu sagen.

Joachim Fahrun