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Reisen für den Kampf um Kunden

Deutsche und Schweizer Pharmariesen beeinflussen in Portugal mit allerhand Prämien, was Ärzte ihren PatientInnen verschreiben. Gerichte entscheiden  ■ Aus Lissabon Theo Pischke

Wenn es um die Verschreibung seiner Medikamente geht, vertraut der Schweizer Pharmakonzern Roche in Portugal nicht nur auf ärztliche Weisheit, sondern hilft auch mit Geld nach. Dies geht jedenfalls aus internen Dokumenten von Roche hervor, aus denen die Zeitung Público diese Woche in Portugal zitiert. Demzufolge haben insgesamt 71 Ärzte von Roche Reisegutscheine, aber auch Wertgegenstände wie Scanner für den Praxiscomputer bekommen.

Neben Roche – einer Tochter der Hoffmann-La Roche AG – sind in Portugal auch die deutschen Pharmakonzerne Boehringer-Ingelheim und Bayer in Verdacht geraten, Ärzte für das Verschreiben ihrer Medikamente bezahlt zu haben.

So verpflichtete sich der Arzt Fernando M., der im staatlichen Gesundheitszentrum in Pêro Pinheiro in der Nähe Lissabons arbeitet, pro Woche fünf Packungen des Antidepressivums „Aurorix“ von La Roche zu verschreiben – im Gegenzug für einen Gutschein für eine Reise zu einem Ärztekongreß im Wert von 1.000 Mark.

Ein weiterer Bericht eines Roche-Vertreters vom 30. Juni legt fest, daß sich der Arzt Jorge P. aus Corrois verpflichtet, bis Ende dieses Jahres 80 neuen Kranken das Bluthochdruck-Medikament „Inibace“ zu verschreiben. Gegenleistung von Roche: ein Reisegutschein im Wert von 3.000 Mark.

Laut Rapport des Roche-Vertreters sei die Vereinbarung im Rahmen des „Angriffsprogramms auf Triatec“ abgeschlossen worden. „Triatec“ ist das entsprechende Medikament des Konkurrenten Hoechst.

Der Roche-Vertreter schreibt in seinem Bericht: „Ich schlug dem Doktor folgendes vor: 80 neue Kranke für Inibace bis Ende des Jahres als Gegenleistung für 3.000 Mark bei einem Reisebüro. Der Doktor bat um 15 Tage Bedenkzeit. Er akzeptierte meinen Vorschlag und zeigte mir nach drei Wochen eine Liste mit Patienten, denen er Inibace verschrieben hatte. Es war eine Liste mit 18 Namen. Da der Doktor bereits mit Unterstützung eines Pharmalabors in die USA reist, schlug er mir vor, die Hälfte des Geldes beim Reisebüro Geotur zu hinterlegen, um damit die Reise seiner Frau zu bezahlen. Der Restbetrag soll dann Anfang Dezember beim Reisebüro Abreu in Almada hinterlegt werden.“

Der Chef der portugiesischen Ärztekammer, Carlos Ribeiro, sagte dazu, die vorliegenden Dokumente „stellen die Ethik einiger Ärzte bei der Ausübung ihres Berufs in Frage“, und kündigte eine Klage an.

Roche erklärte, sein Handeln immer nach dem Pflichtenkodex des portugiesischen Pharmaverbandes ausgerichtet zu haben. Und fügte hinzu: „Im gegenwärtigen Stadium des Mißtrauens und der Verdächtigungen, in dem sich der gesamte Gesundheitssektor in Portugal befindet, hält es Roche derzeit nicht für opportun, weitere Erklärungen abzugeben.“

Im Fall Boehringer-Ingelheim zitierte die Wochenzeitung Independete aus dem Bericht eines Boehringer-Vertreters von 1992, wonach sich ein Arzt aus Abrantes verpflichtet hat, ausschließlich den Boehringer-Hustensaft „Mucosolvan“ zu verschreiben als Gegenleistung für einen Gutschein im Wert von 1.000 Mark für eine Reise zu einem Ärztekongreß.

Bayer hat bestätigt, die Weiterbildung von Ärzten zu fördern, etwa durch die Finanzierung von Reisen zu ärztlichen Kongressen in aller Welt. Allerdings streitet das Unternehmen ab, daß die Ärzte dafür irgendwelche Gegenleistungen erbringen müssen. Eine andere Sicht der Dinge hat jedoch der ehemalige Bayer-Vertreter Alfredo Pequito. Er wirft dem deutschen Konzern vor, allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 1995 110.000 Mark dafür ausgegeben zu haben, daß portugiesische Ärzte das Bayer-Medikament „Ciproxina“ verschreiben. Entsprechende Dokumente habe er bereits dem Gericht übergeben. Das wird in diesem Fall das letzte Wort haben.

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