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Lieber letal als liberal, meint die CSU

■ Bloß nicht von Frankfurt lernen: In München boykottiert der Fundamentalismus der Konservativen jede vernünftige Drogenpolitik

München (taz) – Die Drogenpolitik der Schweiz ist in München noch völlig undenkbar. Hier scheitert die rot-grüne Rathaus-Mehrheit sogar daran, Druckräume wie in Frankfurt am Main einzurichten. Denn die Regierung von Oberbayern, die CSU-dominierte Rechtsaufsichtsbehörde, beruft sich auf den strikten Wortlaut des Betäubungsmittelgesetzes. Danach ist es verboten, jemandem „eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch“ von illegalen Drogen zu verschaffen. Fixerstuben würden aber genau dafür „äußere Bedingungen schaffen“, so die Regierung von Oberbayern.

Daß die Stadt Frankfurt unter der CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth mit den Druckräumen bemerkenswerte Erfolge hat, kümmert die CSU-Politiker dabei nicht. Eine Exkursion des Münchner Stadtrats nach Frankfurt wurde von allen Konservativen boykottiert: Weder der CSU-Ordnungsreferent Hans-Peter Uhl noch der Polizeipräsident noch Vertreter von LKA oder der Regierung von Oberbayern nahmen daran teil. Alles schon bekannt, ließen die Konservativen wissen.

Vermutlich sollte die selbstgewählte Wahrnehmungsschwäche eines der Lieblingsthemen von Peter Gauweiler und Co. nicht gefährden. Gauweiler zum Beispiel läßt keine Gelegenheit aus, um in Bierzelten und anderswo gegen den Drogenmißbrauch zu wettern. Daß in Frankfurt die Zahl der Drogentoten in den letzten fünf Jahren um 75 Prozent gesunken ist, während sie in München auf hohem Niveau stagniert, nimmt er lieber nicht zur Kenntnis.

Der drogenpolitische Fundamentalismus der CSU wird sich beim Thema Druckräume wohl durchsetzen: Die rot-grüne Mehrheit im Münchner Rathaus hat nach der Verbotsankündigung der Regierung von Oberbayern das Projekt gestoppt. „Wenn wir um neun Uhr im Stadtrat einen Beschluß fassen würden, wäre er um zehn nach neun von der Regierung von Oberbayern wieder aufgehoben“, sagt der bündnisgrüne Gesundheitsreferent Joachim Lorenz. Deshalb würden die Druckräume nicht wie geplant nächste Woche im Stadtparlament beschlossen.

Zur Zeit bereitet die CSU sogar ein Bürgerbegehren gegen die Drogenpolitik von SPD, FDP und Bündnisgrünen vor. Damit wollen die Konservativen unter anderem klarstellen, daß es keine Angebote zum Spritzentausch in München geben darf. „Ich hoffe sehr, daß die CSU das Bürgerbegehren bald vorlegt“, so Lorenz. „Dann hätten wir eine Chance auf ein ähnliches Ergebnis wie in der Schweiz.“ Felix Berth

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