: Hanseatisches Abwasser
Hamburgs Finanzbehörde bedauert mögliche Mißverständnisse beim Grundstücksverkauf in Allermöhe und kassiert ■ Von Achim Fischer
Eigentlich war alles klar für die 36 Häuslebauer in der Von-Harlem-Straße in Allermöhe-West. Per Festpreis hatten sie Grundstücke und Häuser von der Stadt gekauft. Neben den schlüsselfertigen Häusern sind „u.a. Hausanschlußleitungen und Hausanschlüsse für Wasser, Abwasser und Strom im Festpreisangebot enthalten“, informierte die Finanzbehörde in einem Merkblatt. Auch der „Sielbaubeitrag“war laut Kaufvertrag abgegolten.
Zwei Jahre nach Abschluß des Kaufvertrages flatterte den frischgebackenen Eigenheimbesitzern jedoch eine neue Rechnung über 4.790,00 Mark ins Haus. Die Begründung für die unerwarteten Kosten lieferten die Finanzbeamten gleich mit: Mit „Hausanschlußleitung und dem Hausanschluß“sei lediglich das Abwasserrohr vom Haus bis zur Grundstücksgrenze gemeint gewesen, der „Sielbaubeitrag“war für das Siel in der Straßenmitte gedacht. Also fehlt noch ein Stückchen zwischen Siel und Grundstücksgrenze. Sielanschluß nennen sich die entscheidenden Meter, Sielanschlußbeitrag heißen die Kosten.
„Diese Sielanschlußbeiträge sind bislang mit keinem Wort erwähnt worden“, ärgert sich Mark Roach, einer der 36 Anwohner. „Eben“, entgegnet die Finanzbehörde und verweist auf das Kleingedruckte im Kaufvertrag. Denn nur, was dort aufgeführt ist, ist mit dem Kaufpreis abgegolten. Der Sielbaubeitrag wird genannt, der Sielanschlußbeitrag nicht. „Mögliche Mißverständnisse in den Verhandlungen berechtigen uns leider nicht, auf den Beitrag zu verzichten“, bedauerten die Finanzbeamten und setzten eine „Zahlungsfrist bis zum 26.9.1997“. Mehrere Anwohner zahlten, die meisten aber legten Widerspruch ein.
„Woher sollen wir denn wissen, daß es neben einem Sielbaubeitrag noch einen Sielanschlußbeitrag gibt?“ärgert sich Roach. „Wir sind doch alles keine Leute, die ihr zehntes Haus bauen.“Der Behörde wirft er „Rechtsfehler“vor, „nämlich falsche Beratung“.
Die Finanzbeamten reagierten mit dem ihnen eigenen Charme: „Der Widerspruch wird nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung von der Rechts- und Abgabenabteilung der Finanzbehörde bearbeitet. Die Sach- und Rechtslage ist im Widerspruchsverfahren umfassend zu prüfen.“Das Verfahren läuft derzeit noch. Einigen Anwohnern teilten die Finanzbeamten vorsorglich schon einmal das erwartete Ergebnis mit. Der Widerspruch müsse voraussichtlich abschlägig beschieden werden, heißt es in einem Brief der Behörde. Noch gebe es die Möglichkeit, den Widerspruch zurückzuziehen. Zum Wohle der Anwohner, denn dadurch sparten sie sich die nächste Gebühr: den Kostenbeitrag für das gescheiterte Widerspruchsverfahren.
Anwohner Roach ärgert nicht nur die Reaktion der Beamten. „Die Behörde hat einen Fehler gemacht und will das nicht zugeben. Da müßte sich jetzt die Behördenleitung einschalten.“Der Chef der Behörde ist bald Chef des Hamburger Senats: Noch-Finanzsenator und Bald-Bürgermeister Ortwin Runde. Roach: „Der bekleckert sich in unserem Fall nicht gerade mit Ruhm.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen