piwik no script img

Da lacht die Koralle Von Frank M. Ziegler

Als ich das letzte Mal jemanden mit einem dieser unsäglich witzigen „Ich bin 30, helfen Sie mir bitte über die Straße!“-T-Shirts gesehen habe, wurde mir klar, daß es irgendwo in diesem Land eine ledergebundene Anleitung zum Hip- Sein geben muß, die ich leider nie gelesen habe. In dieser Anleitung stehen augenscheinlich all diese trendigen Aussprüche drin, derer ich mich peinlicherweise nie erinnern kann, wenn es dringend nötig wäre. An Ampeln zum Bleistift (!), wo der Fahrer im Wagen vor mir bei Signalwechsel nicht augenblicklich aufs Gas tritt. Meinen Sie, mir fiele da auch nur einmal rechtzeitig der witzige Satz „Grüner wird's nicht!“ ein? Nie!! Ich sage in der Straßenbahn auch nie zu meinem Sitznachbarn „Stück mal'n Rück!“, obwohl das doch außer mir eigentlich jeder sagt, der weiß, was humorig ist.

Wer lahme Gesellschaften richtig aufmischen will, der muß spritzig sein. Der muß für jeden noch so kleinen Anlaß des Lebens den passenden witzigen Ausspruch auf Lager haben: In Plattenläden muß man unbedingt mal kurz unter „S“ nachgucken und rufen: „Hurra, die haben CDs von Barbara Streusand!“ Wahlweise kann man auch unter Klassik nachschauen und „Huch, Marcello Masturbani!“ ausrufen! Das ist lustig!

Wenn man auf der Autobahn an einem Unfall mit Polizei- und Krankenwagenblaulicht vorbeifährt, ist es unerläßlich, sofort „Guck mal, Disco!“ zu brüllen. Hahaha! Geht etwas kaputt, dann hielt es unbedingt nur „von 12 Uhr mittags bis zum Läuten“. Hohoho! Schnorrt sich der Witzige eine Zigarette, sagt er spaßig: „Meine sind noch im Kasten.“ Und fragt einer nach dem Aschenbecher, so antworte man bitte: „Nimm doch den großen!“ Hihihi! Wenn Sie witzig sein wollen, müssen Sie sich auch unbedingt angewöhnen, den Vorgang des Telefonierens als „teflonieren“ zu bezeichnen. Oder „telenieren“! Da lacht die Koralle! Wenn jemand etwas runterfällt, rufen Sie bitte sofort: „Tritt sich fest“. Wenn Ihnen selbst was runterfällt, rufen Sie: „Ich leg' mich gleich dazu.“

Das alles macht Sie unglaublich unterhaltsam und für jeden Bekanntenkreis begehrenswert. Liegt einmal Schnee, dann hauchen Sie bitte: „Deutschland, ein Wintermärchen“. Hören Sie Radio nur in „sterero“! Antworten Sie auf Fragen nach Häufigkeit von irgend etwas grundsätzlich mit „nicht immer, aber immer öfter“. Singen Sie vor jedem Schluck Bier „Prostataaaa“! Stoßen Sie mit Schnaps an, dann vergessen Sie keinesfalls „In diesem Sinne – ab in die Rinne“ zu dichten. Kommt Ihnen einer frech, dann blöken Sie gleich: „Noch so'n Spruch, Kieferbruch!“ Ihr Gegenüber lacht sich tot!! Fragt jemand, ob etwas in Ihrem Besitz neu sei, rufen Sie „Nein, aber mit Perwoll gewaschen“. Das ist einfach umwerfend komisch. Und hängen Sie bitte an jeden Satz, den Sie aussprechen, „oder so“ dran. Beispiel: „Biegen Sie jetzt hier links ab, oder so!“ Lustig!!

Ihre Umwelt wird es Ihnen danken. Man liebt Stimmungskanonen wie Sie! Probieren sie das mal aus. Beim nächsten Fußballspiel zum Bleistift. Setzen Sie sich vor den Fernseher und sagen Sie „Sport ist Mord“. Ich garantiere Ihnen, noch Wochen später wird man sich überall von Ihrer sprichwörtlichen Originalität erzählen. Das ist es wert! In diesem Sinne: Tschö mit ö!!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen