: Europaparlament muß zwölfmal nach Straßburg
■ Der Europäische Gerichtshof kennt kein Mitleid: Die Abgeordneten des Europaparlaments müssen brav ins Elsaß reisen. Bestimmte Zwänge seien mit dem Sitz „notwendig verbunden“
Freiburg (taz) – Das Buhlen um das Europäische Parlament (EP) nimmt immer groteskere Züge an. Nicht nur, daß derzeit sowohl in Brüssel als auch in Straßburg – jeweils mit Milliardenaufwand – neue Plenar- und Bürogebäude erstellt werden. Es wird auch um den Ort jeder einzelnen Sitzung gerungen. Auf Klage Frankreichs entschied gestern der Europäische Gerichtshof (EuGH): Das Parlament muß zwölfmal in jedem Jahr in der Stadt Straßburg tagen. Tagt es etwa nur elfmal, ist das ein ganz klarer Rechtsverstoß. Der Streit um den Sitz des Parlaments ist alt und heftig. Alle befürchten, daß hier unausgesprochen auch eine Vorentscheidung über die Wahl der künftigen EU- Hauptstadt fällt. Außerdem ist das Parlament mit seinem aufwendigen Apparat, den LobbyistInnen und den Besuchergruppen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Erst 1992 hatte die Zeit der „vorläufigen Arbeitsorte“ ein Ende. Die EU-Staaten entschieden damals ganz eindeutig: „Das Europäische Parlament hat seinen Sitz in Straßburg; dort hält es die zwölf monatlich stattfindenden Plenartagungen ab.“ Zusätzliche Sitzungen und vor allem die wichtige Ausschußarbeit finden allerdings weiterhin am Sitz von Ministerrat und EU-Kommission in Brüssel statt. Und der Verwaltungsapparat des Parlaments bleibt in Luxemburg.
Für das Parlament ist das ein unangenehmer Beschluß, weil die Ausflüge ins Elsaß unter den Abgeordneten als aufwendig und lästig gelten. Um so schärfer achtet Frankreich darauf, daß der Beschluß auch exakt eingehalten wird. Als der EP-Kalender im vorigen Jahr nur elf Sitzungswochen in Straßburg vorsah, reagierten die Franzosen sofort und klagten die regelmäßigen Ausflüge der EU- ParlametarierInnen ins Elsaß ein. Mit Erfolg: Der Europäische Gerichtshof gab der Beschwerde gestern statt. Bestimmte Zwänge seien mit der Festlegung des Sitzes eben „notwendig verbunden“, erklärte die Richter des EuGH mitleidlos. Nur in Wahljahren kann sich das Europäische Parlament einen Ausflug sparen. Christian Rath
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