: Dusel, Daffke, Reck & Flo
■ Gladbach gewinnt 7:1 gegen Werder, aber Gott ist Norweger, findet Gastautor Michael Augustin
Am Freitag nach Spielschluß hätte sie gern zu Ende sein dürfen – die gerade mal neun Spieltage alte Bundesligasaison. Denn immerhin war justemang am Tag der deutschen Einheit das Saisonziel erreicht worden: Ein UEFA-Cup-Platz für Werder Bremen! Auch der Gladbacher Fußballpädagoge Hannes Bongartz konnte eigentlich recht zufrieden sein mit seinen jungen Pferden: Im Chancenvergleich hatten die Gäste das Ding mit einem satten 7:1 nach Hause geschaukelt. Jedenfalls laut Reporterstrichliste auf dem Papier.
Auf dem Rasen hingegen lasen sich die Spuren der Geschichte ein bißchen anders: Das in der offiziellen Mannschaftsaufstellung nicht erwähnte Bremer Spielerpaar Dusel und Daffke sorgte dafür, daß aus dem eigentlichen 7:1 für die Gäste (ja, ja, wie im Märze anno '87) am Ende ein uneigentliches 1:0 (genau wie in der letzten Saison) für die Heimmannschaft werden sollte.
Die gesamte erste Halbzeit und ein stattlicher Brocken der zweiten gehörten den fürwahr elektrisch schaltenden und waltenden Gladbachern, die in unerhörter Bissigkeit jeden Vorstoß in ihre Spielfeldhälfte oder gar in Richtung des Kamps'schen Tores ins blanke Gegenteil umzukehren vermochten. Reichlich mehr oder weniger vollkommene Gelegenheit also für den selbstbewußten, wendigen Wicky und den aufmerksamen Libero Trares, die Patzer ihrer verwirrten Kollegen auszuhobeln. Während der beste Bremer, Wicky, seine Aufgabe, den gefährlichsten Gladbacher, Pettersson, an Torjubeleien zu hindern, mit einer gewissen Eleganz löste, kostete es Todt doch erhebliche Anstrengungen, die feinen Pläne seines Counterparts Witeczek zu durchkreuzen. Der unablässig zeternde Eilts hatte derweil alle Hände und Füße voll zu tun, den schlauen und für Gladbach nie und nimmer zu ersetzenden Effenberg von schlimmen Taten abzuhalten, bis der sich dann sozusagen freiwillig vom Acker machte – per Foul und per Handspiel, wofür es zweimal eine gelbe und einmal eine rote Karte gab.
So sehr sich die Bremer Hintermannschaft auch mühte, den Ball aus dem Nervenzentrum herauszuhalten und herauszubefördern – die Jungs vorne machten alles gleich wieder kaputt, rannten sich mit schlafwandlerischer Unsicherheit fest, verzettelten sich trottelig oder wurden einfach umgesäbelt, wobei es die bösen Onkels in ihren entsetzlich verwaschen wirkenden Trikots besonders auf Andreas Herzogs großen Onkel abgesehen zu haben schienen. Was aber, bei aller Unerhörtheit, keine Entschuldigung für das Bremer Fehlpaßblitzgewitter war. So ziemlich genau jedes einskommafünfte Abspiel der Werderaner schlug völlig fehl. Vielleicht wäre es wirklich mal einen redlichen Versuch wert, in Zukunft bei jeder Ballabgabe von vornherein den Gegner anzuspielen. Nach dem in dieser Mannschaft offensichtlich gültigen Gesetz der Logik müßte der Ball dann sozusagen automatisch beim eigenen Mitspieler ankommen.
Daß die eindeutig bessere Mannschaft es zu guter oder schlechter Letzt nicht fertigbrachte, ihre Vorteile zu nutzen, hat gewiß auch damit zu tun, daß die erwähnten Dusel und Daffke einem gewissen Reck kameradschaftlich unter die Arme griffen: Er hielt schlicht alles. Nur einmal – nach Schuß von Witeczek – mußte der Pfosten für ihn geradestehen. Da war's dem Publikum, als sei das Aluminiumgebälk aus dem Holze der Zitterpappel geschnitzt.
Also griff der Bremer Trainer Wolfgang Sidka zu glücksspielerischen Mitteln. Nach zwei unspektakulären Auswechselungen machte sich der neue Cheftrainer das Wort „Dreimal ist Bremer Recht“zunutze: Christian Brand wurde vom Felde abberufen und durch einen jungen Mann ersetzt, dem die Ostkurve zuvor laustark skandierend die allerhöchsten Weihen hatte zuteil werden lassen: „Fußballgott Håvard Flo.“Kaum im Spiel, entschied er es, indem er einen von Herzog zärtlich servierten Ball gekonnt annahm, auf Kamps Kasten zustürmte und aus 16,37 Metern ablederte. Das war's. Schöne Scheiße für die einen, großes Glück für die anderen. Er kann ein echtes Schwein sein, der Tag der deutschen Einheit.
Unser Reporter ist Autor, Sammler literaischer Miniaturen und medialer Stilblüten und arbeitet für Radio Bremen 2
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