: Festnahmen bei Cassini-Protest
■ Demonstrationen in den USA und Deutschland gegen Start von 33 Kilo Plutonium im Forschungssatelliten. Präsident gibt O.K.
Darmstadt/Cape Canaveral (taz/AP/dpa) – Eine Woche vor dem geplanten Start des mit Plutonium bestückten Forschungssatelliten Cassini sind bei Protesten von Atomkraftgegnern in den USA 27 Personen festgenommen worden. Das „Global Network against Weapons and Nuclear Power in Space“ hatte eine Demonstration am Startgelände auf Cape Canaveral in Florida angekündigt. Gezählt wurden zwischen 500 und 1.200 Teilnehmer.
US-Präsident Bill Clinton hatte am Freitag trotz Mahnwachen und Protestnoten sein O.K. für den Start gegeben. Für diesen Fall hatten Cassini-Gegner angekündigt, sie würden ins Raumfahrtgelände eindringen und durch ihre Anwesenheit den Start verhindern. Alle, die das versuchten, wurden jedoch festgenommen. Insgesamt setzte die Polizei 27 Personen fest.
Die Genehmigung des Weißen Hauses war erforderlich, weil Cassini 32,6 Kilogramm Plutonium an Bord mitführt – soweit bekannt die größte Menge, die jemals eine Raummission an Bord hatte. Das radioaktive und äußerst giftige Material soll Energie für die siebenjährige Reise zum Planeten Saturn liefern. Dort soll das Raumschiff die europäische Sonde Huygens aussetzen, die an einem Fallschirm zum Saturnmond Titan herabgleitet. Wissenschaftler erhoffen von den Messungen in der Titan-Atmosphäre neue Erkenntnisse über die Entstehung der Erde.
Gegen die Verwendung radioaktiver Stoffe in der Raumfahrt haben am Samstag auch etwa hundert Menschen in Darmstadt demonstriert. Vor dem Satellitenkontrollzentrum Esoc der europäischen Weltraumbehörde ESA kritisierten sie den für den 13. Oktober geplanten Start der Saturnsonde Cassini.
Für besonders gefährlich halten die Kritiker neben der Startphase den geplanten Vorbeiflug an der Erde 1999. Käme es zu einem Unfall, könne der Satellit in der Atmosphäre verglühen und das Plutonium sich weltweit verteilen. „Das Schadensausmaß würde dem von Tschernobyl entsprechen“, sagte der Kernphysiker Martin Kalinowski von der Technischen Universität Darmstadt. Außerdem ist die Trägerrakete vom Typ Titan-IV ein unsicherer Kandidat. Eine Rakete dieses Typs explodierte zum Beispiel 1983 beim Start, mit ihr der Satellit an ihrer Spitze. Insgesamt sind bereits neun Weltraummissionen mit radioaktivem Material an Bord abgestürzt – allerdings jeweils mit wesentlich geringeren Mengen als Cassini.
Die Gegner der Plutoniumgeneratoren verlangen, den Start bis zum Jahr 2001 zu verschieben. Dann könne mit einer anderen Flugbahn der Vorbeiflug an der Erde vermieden werden. Langfristig fordern sie einen Umstieg auf Solarzellen. Für das schwache Sonnenlicht in Höhe der Umlaufbahnen von Jupiter und Saturn standen bei der Planung der Mission keine geeigneten Solarzellen zur Verfügung. Laut ESA sind aber inzwischen neue Solarzellen in der Entwicklung. W. Schlupp-Hauck
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