Mächtige Maus, fette Katze

Kevin Keegan, erfolgreich als Spieler und Trainer, soll den FC Fulham im Auftrag des millionenschweren Mohamed al-Fayed zum großen Fußballklub machen  ■ Aus Fulham Ronald Reng

Als die Premiere vorüber war, wurde am Ausgang zufrieden Bilanz gezogen. „Papa, ich habe Kevin Keegan zweimal berührt“, schrie ein kleiner Zuschauer, als er sich am vergangenen Samstag nach dem 3:1-Sieg des FC Fulham über Oldham Athletic in der englischen Second Division auf den Nachhauseweg machte. Papa war sichtlich beeindruckt.

Noch immer beobachten Fußballer und Fans des kleinen Londoner Stadtteilvereins Fulham ein wenig fassungslos, was bei ihnen passiert. „Früher mußten wir zu Auswärtsspielen unsere Sandwiches selber mitbringen“, erinnert sich Simon Morgan, der seit fast sieben Jahren für Fulham angreift, „jetzt steigen wir in den besten Hotels ab.“ Seit der Ägypter Mohamed al-Fayed, Besitzer des Londoner Kaufhauses Harrods, den Klub aus der dritten englischen Liga im Sommer für 22 Millionen Mark kaufte und weitere zehn Millionen Mark Starthilfe investierte, wurde der Verein auf den Kopf gestellt.

Gegen Oldham präsentierte al- Fayed zum erstenmal in einem Heimspiel seine neuen Führungskräfte, die leicht überqualifiziert für die Second Division erscheinen. Ray Wilkins, der einst beim AC Mailand und 84mal in der englischen Nationalelf spielte, stand als Trainer am Spielfeldrand, und Kevin Keegan, mutmaßlich die markanteste Figur des englischen Fußballs, saß zwanzig Tribünenreihen über ihm als sogenannter Chief Operating Officer. Das ist schwer zu übersetzen, am treffendsten beschreibt wohl ein einfaches Wort die Rolle Keegans: Chef. „Al-Fayed sagte zu mir: ,Führe den Klub, als gehöre er dir'“, berichtet Keegan.

Für den ägyptischen Kaufmann ist der gestrandete Traditionsklub, 1975 englischer Pokalfinalist, eine weitere Trophäe in seinem Kampf um gesellschaftliche Anerkennung in der Wahlheimat. Seit über 30 Jahren residiert der 64jährige in London, die Sunday Times notiert ihn in ihrer traditionellen Liste der reichsten Leute des Landes an 14. Position. Daß man ihm jedoch noch immer die britische Staatsbürgerschaft verweigert, trifft ihn tief. „Die Briten haben Rassismus und Snobismus erfunden und exportiert“, sagt al-Fayed, „hier existiert er noch immer.“

Getrieben von seinem Gerechtigkeitsgefühl genauso wie Rachelust, schlägt er zurück. Er kauft Symbole des britischen Establishments: ein Schloß in Schottland, eine Residenz des Windsor-Adels in Paris und findet das „nicht schlecht für einen dahergelaufenen Araber, oder?“. Es war eine besondere Genugtuung für ihn, als die Freundschaft der Prinzessin von Wales zu seinem Sohn Dodi bekannt wurde. Eine Woche, bevor Prinzessin Diana und Dodi in einem Pariser Autotunnel starben, hatte al-Fayed noch in Fulhams Stadionzeitung geschrieben: „Das Wichtigste für uns alle ist die Zukunft unserer Kinder, wir müssen ihnen alles Schöne im Leben zeigen, und dazu gehört, eine der besten Fußballmannschaften der Welt anzusehen.“ Dies wolle er seinen Kindern in Fulham ermöglichen. Zu „Pharaos des Fußball“ erklärte al-Fayed seine Spieler schon einmal, schnellstmöglich soll Keegan die Mannschaft an die Spitze der Pyramide, in die Premier League, hieven. „Ich werde nicht um Geduld bitten“, sagt Keegan. „Wir sind selbst ungeduldig. Wir wollen Erfolg, sofort.“ In der Tabelle läßt sich das nach zwei Spielen unter seiner Fürsorge noch nicht so gut erkennen. Elfter war man, Zehnter ist man.

Keegan, der zuletzt Newcastle United in die Spitzengruppe der Premier League führte, ehe er im vergangenen Januar den Trainerjob quittierte, hätte Alternativen gehabt. Statt in der rückständigen Second Division rumzuhängen, wo der Ball noch immer mehr getreten als gespielt wird, hätte er etwa in Spanien den FC Valencia übernehmen können. Aber „wenn ich eine Stellenanzeige für meinen Traumjob aufgegeben hätte“, behauptet Keegan, „dann hätte ich den Posten exakt so beschrieben, wie er sich mir jetzt in Fulham bietet.“ Er muß nicht mehr jeden Tag auf dem Trainingsplatz stehen, behält jedoch die Kontrolle über den sportlichen Weg, und er bekommt von al-Fayed genug Millionen, um gute Spieler, sprich Erfolg einzukaufen.

Doch hat das Auftauchen der „Mächtigen Maus“, so Keegans Spitzname, und der „Fetten Katze“ (so nennen die Briten hohe Tiere wie al-Fayed) in Fulham keine blinde Begeisterung und schon gar keinen Boom hervorgerufen. 8.805 Zuschauer kamen gegen Oldham zur Heimpremiere Keegans, das waren exakt 16 mehr als in der ersten Partie der Saison. In einer Stadt wie London, die sechs Erstligaklubs beherbergt, kann ein Drittligist nur schwer florieren. Zumal Mißtrauen die Karrieremacher von Fulham begleitet. Das „Spielzeug eines reichen Mannes“ sei der Verein geworden, bemerkte die Zeitung The Guardian, und es klingt Skepsis an, ob al- Fayed und sein als launisch bekannter Helfer Keegan die Lust nicht schnell wieder verlieren könnten.

Für richtige Aufregung sorgt Kevin Keegan vorerst nur bei seinen kleinen Freunden. Als er nach dem ersten Auswärtsspiel im Mannschaftsbus verschwand, schrie ihm ein Junge aus der Menge der Autogrammsammler hinterher: „Sie haben meinen Stift mitgenommen, Mister Keegan.“