: Drogenabenteuer „Kleiner Feigling“
Thüringer Alkohol-Aufklärung beeindruckt Hamburgs Suchtberater ■ Von Lisa Schönemann
Der blaue Kater verrät mit einem Augenzwinkern: Was zuviel ist, ist zuviel. Bezeichnenderweise hat er eine knallrote Nase. Genau die richtige Farbkombination, um als Wappentier einer Aufklärungskampagne zum Thema Alkohol herzuhalten. „Wir fordern nicht zur Abstinenz auf“, sagt Barbara Spangenberg vom Landesverband Arbeit und Soziales in Thüringen. Der Aktion liege im Kern ein schadensreduzierender Ansatz zugrunde: trinken und gesund bleiben.
Vorgestellt wurde die Kampagne am vergangenen Montag auf einer Fachtagung der Hamburger Büros für Suchtprävention. Wo ist die Grenze zwischen „normalen“und schädlichen Trinkgewohnheiten, lautete eine der Fragen, die dort gestellt wurden. Nach strengen Kriterien liegt die Unschädlichkeitsdosis bei sieben Gramm reinem Alkohol täglich. Ab 20 bis 30 Gramm pro Tag wird's gefährlich. Ein Glas Bier (0,25 l) enthält bereits zehn Gramm reinen Alkohol, ein kleines Glas Wein (0,2 l) 7,5 Gramm und ein Schnaps sechs Gramm. Ganz so eng sehen's die Suchtberater nicht. Ihre Faustregel lautet: nicht mehr als zwei bis drei Gläser hintereinander. An mehreren Abenden in der Woche sollten Flaschenöffner oder Korkenzieher von vornherein in der Schublade bleiben.
Solche Ratschläge sind in Hamburg jedoch selten zu hören. Die Präventionsarbeit zum Thema Alkohol ruht zur Gänze. Umso aufmerksamer lauschten die Hamburger am Montag den Vorschlägen der Thüringer um Barbara Spannenberg. Deren Konzept der Schadensbegrenzung will durch Kompetenz im Umgang mit den Risiken des Konsums legaler und illegaler Drogen die Spätfolgen auf ein Minimum reduzieren – und zwar nicht nur in der Jugendarbeit.
Denn anders als Jugendliche sind sozial gut integrierte Erwachsene für die Suchtberater schwer zu erreichen. „Wir können schlecht in die Kneipen gehen“, meint Barbara Spangenberg, „das würde Ärger mit den Wirten geben.“Daher suchen die Thüringer nach Multiplikatoren in großen Betrieben. Die wiederum lassen ihre Mitarbeiter auflisten, was im Büro und nach Feierabend konsumiert wird. „Am Ende der Woche kommt da ganz schön was zusammen“, so die Psychologin.
Die meisten Gelegenheitstrinker wissen zudem selten mehr, als daß der Alkohol auf die Leber geht. Über alkoholbedingte Schädigungen der Mundschleimhaut, des Magens und Dünndarms bis hin zur Entstehung von Geschwüren und Krebs ist kaum etwas bekannt. Mindestens 15 Prozent der Männer mittleren Alters frönen dem Weingeist mit Aussicht auf Spätschäden. Bei den Frauen im Alter zwischen 30 bis 59 Jahren liegt der Prozentsatz etwas niedriger.
Bei Jugendlichen gehört Alkohol praktisch zur Pubertätserfahrung. „In den Jugendzentren tauchen immer mehr Kids auf, für die das Trinken von ,Kleinen Feiglingen' das erste Drogenabenteuer ist“, hat der Rahlstedter Sozialarbeiter Wolfgang Harm beobachtet. Eine „safer use“-Kampagne nach dem Thüringer Modell käme da gerade recht. Schon Zwölfjährige bräuchten eine Chance, über ihre Drogenerfahrungen zu sprechen, damit die „Experimentierphase nicht in die Suchtspirale“abgleite.
„Die Lebenskultur im Stadtteil ist nicht so, daß man auf Abstinenz pochen kann“, sagt Harm. Wenn die Schulen den Drogengebrauch nicht mehr zum Tabu erklären würden, gebe es seiner Meinung nach vielleicht eine Chance, Alkohol in erster Linie als Genußmittel darzustellen – und gleichzeitig über Mengen zu sprechen.
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