: Steuerschlupflöcher sorgen für wilde Mischung
■ Baden-Württembergs Ministerpräsident unterstützt SPD-Kurs. CDU-Fraktionschef dagegen
Berlin (taz) – Die SPD sorgt mit ihrem Vorschlag, Steuerschlupflöcher zu stopfen, für erheblichen Wirbel in der Unionsspitze. Sowohl der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) und der bayerische Finanzminister Erwin Huber (CSU) als auch der Vorsitzende der CDU- Sozialausschüsse, Rainer Eppelmann, unterstützen die Initiative des neuen SPD-Finanzkoordinators Hans Eichel. Der hessische Ministerpräsident hatte vorige Woche vorgeschlagen, steuerliche Abschreibungen und Vergünstigungen zu erschweren, ohne die Steuersätze zu verringern. Dieser Weg wird in der Unionsspitze in Bonn strikt abgelehnt.
CDU-Generalsekretär Peter Hintze und Fraktionschef Wolfgang Schäuble erklärten übereinstimmend, die Streichung von Abschreibungsmöglichkeiten ohne Senkung der Steuersätze käme einer faktischen Steuererhöhung gleich. Nach Angaben der Welt waren Schäuble und Teufel in dieser Frage im CDU-Präsidium aneinandergeraten. Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) übte sich gestern im Spagat: Er sei „grundsätzlich“ zu einem Gespräch mit der SPD bereit, aber nur dann, wenn sich die Gegenseite auf Steuersenkungen einlasse. Entgegenkommen signalisierte gestern SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping. „Entsprechende Initiativen“ zum Stopfen der Steuerlöcher müßten mit „Steuerentlastungen an anderer Stelle“ einhergehen. Davon sollten vor allem Familien mit Kindern und Firmen profitieren, die Ausbildungsplätze zur Verfügung stellten.
Der Konflikt steht offenbar in Zusammenhang mit der neuesten Steuerschätzung, die im November ansteht und nach Prognosen von Wirtschaftsinstituten Waigel ein zusätzliches Steuerloch von 20 Milliarden Mark prognostiziert.
Wegen der Unzahl von Möglichkeiten für Firmen, Selbständige und Spitzenverdiener, ihre Steuerzahlungen zu mindern, entgehen den Finanzämtern seit Jahren Einnahmen. Besonders raffiniert operieren dabei Großunternehmen: Allein Daimler-Benz führte 1995 nur 250 Millionen von eigentlich angefallenen 1,02 Milliarden Mark an den Fiskus ab, weil der Konzern Verluste von rund 6 Milliarden Mark anmeldete. Auch bei der Einkommensteuer geht es rapide bergab: In Hamburg fielen die Einnahmen von 1992 bis 1996 um 25 Prozent. Severin Weiland Kommentar Seite 12
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